Die Wunderheilerin
Lachen.
Seit es das Hurenhaus nicht mehr gab, hatte Priskas Arbeit beträchtlich abgenommen. Und die Jagd des Herzogs auf die Lutherischen machte den Rest zunichte. Die, die dem Papst anhingen, mieden sie. Und die, die dem Doktor Luther Gefolgschaft leisteten, verhielten sich so still als möglich.
Adam war als Stadtarzt noch immer sehr gefragt. Die Leute schätzten seine Verschwiegenheit, schätzten noch mehr seine Erfolge, die er bei den an der Lustseuche Erkrankten verzeichnete. Aber es gab keine Einladungenmehr, die Fraternität hatte sich aufgelöst, seit Johann von Schleußig weggegangen war. Selbst auf dem Markt und am Brunnen stand man nicht mehr zusammen und redete über die Tagesereignisse. Misstrauen hatte sich in die Stadt eingeschlichen, und jeder achtete auf seine Worte. Die Papstgläubigen wurden hinter vorgehaltener Hand des Denunziantentums beschuldigt, denn, so wurde ebenfalls hinter vorgehaltener Hand getuschelt, für jedes entdeckte Neue Testament im Lutherdeutsch gab es einen Judaslohn. Aber obwohl die Papstgläubigen eifrig suchten, konnten die Ratsherren der Stadt ihrem Herzog Georg keine Freude machen.
Den heimlichen Lutheranern aber war es eine Freude, gerade die am eifrigsten suchenden Papstanhänger im Rathaus anzuschwärzen. Nun traute keiner mehr dem anderen. Freundschaften zerbrachen, Nachbarn grüßten nicht mehr, Schwiegertöchter hielten die Mütter ihrer Männer vorsorglich unter Hausarrest. Und Priska bekam immer weniger zu tun. In einer Zeit, in der der Nächste auch der nächste Feind sein konnte, war für die Liebe und für die Sorgen der Frauen wenig Platz.
Stundenlang saß sie bei schlechtem Wetter in der Wohnstube und grübelte vor sich hin. War das Wetter angenehm, so zog sie schon am Morgen hinaus in die Auen, um Kräuter und Rinden zu suchen.
Heute aber, als sie mit dem Weidenkorb am Arm über den Markt schlenderte, winkte eine Krämerin ihr zu.
«Doktorin, kommt her zu mir, ich muss Euch etwas sagen.»
Priska kannte die Frau. Sie war früher zu ihr gekommen, weil dem Ehemann die Lenden träge geworden waren.
«Was ist?», fragte Priska freundlich. «Braucht Euer Mann wieder eine kräftige Suppe aus Sellerie?»
«Nein, nein. Es ist alles bestens.»
Dann beugte sich die Krämerin ganz dicht zu Priska und raunte ihr ins Ohr: «Das Buch sollt Ihr haben, hört ich. Eure Magd erzählt jedem, der es hören will, davon.»
Priska fuhr zurück. «Was sagt sie genau?»
«Nun», die Krämerin wiegte den Kopf. «Sie deutet an, versteht Ihr? Sagt, wie schwer es wäre, in einem Haus zu leben, in dem Ketzer ihr Unwesen treiben. Ketzer, gepresst zwischen Buchdeckel.»
Priska schüttelte den Kopf. «Warum tut sie das? Wir haben kein solches Buch.»
Die Krämerin zuckte die Achseln. «Ihr wisst doch, wie undankbar diese Mägde sind. Kaum gibt ihr die Herrin am Samstagabend nicht frei, so redet sie sogleich schlecht über die, die ihr das Brot bezahlen.»
«Danke, Krämerin», sagte Priska und wandte sich ab. In der Ferne sah sie Regina, die sich mit einer Milchhändlerin um zwei Kreuzer stritt.
Hastig eilte Priska zurück in die Klostergasse. Sie wollte das Buch aus seinem Versteck, einem alten stillgelegten Kaminloch im Laboratorium, holen – doch ihre Hand griff ins Leere. Priska erschrak. Sie rief nach Adam, doch dann sah sie, dass seine Tasche fehlte. Er war also schon unterwegs zu seinen Patienten.
Was hatte Regina vor?, fragte sie sich. Ob sie das Buch ins Rathaus tragen würde? Nein, das würde sie gewiss nicht tun. Wenn Priska und Adam aus der Stadt vertrieben würden, dann hätte sie niemanden mehr, der sich um sie und ihre schleichende, todbringende Krankheit kümmernwürde. Im Johannisspital würde sie landen und dort elendig zugrunde gehen. Was also plante sie?
Priska überlegte den ganzen Tag, doch ihr wollte nichts einfallen.
Beim Abendbrot dann, das sie gemeinsam in der Küche einnahmen, fragte sie die Schwester: «Was würdest du tun, wenn wir weggingen von hier?»
Regina sah überrascht hoch. «Wo wollt ihr denn hin?»
«Nun», log Priska und stieß Adam unter dem Tisch an, damit er schwieg. «Adam hat ein Angebot aus Basel bekommen. Der erste Stadtarzt könnte er werden. Man hat dort von seinem Erfolg bei der Franzosenkrankheit gehört.»
Regina riss die Augen auf. «Und was wird aus mir?»
Priska zuckte die Achseln. «Jeden Tag klagst du aufs Neue, wie schlecht wir dich halten. Glücklich könntest du dich schätzen, wären wir weg.»
«Aber ich
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