Darkover 02 - Herrin der Stuerme
Vorbemerkung der Autorin
Seit dem dritten oder vierten Darkover-Roman haben mir meine erstaunlich treuen Leser geschrieben und gefragt: »Warum schreiben Sie keinen Roman über das Zeitalter des Chaos?«
Lange Zeit war ich unschlüssig, zögerte, diesem Wunsch nachzukommen. Der Kern der Darkover-Romane schien mir folgender zu sein: das Zusammentreffen der Zivilisationen von Darkover und Terra. Hätte ich den Bitten, über die Zeit »vor der Ankunft der Terraner« zu schreiben, nachgegeben, wäre – so meinte ich – dieser Kern verlorengegangen; was übriggeblieben wäre, hätte große Ähnlichkeit mit tausend anderen Science-Fantasy-Romanen gehabt, die sich mit fremden Welten befassen, deren Bewohner seltsame Kräfte und andere Interessen haben. Es waren meine Leser, die mich letztendlich dazu überredet haben, dies doch in Angriff zu nehmen. Wenn jeder, der einem Autor schreibt, nur ein Hundertstel von denen repräsentiert, die es nicht tun (und mir wurde gesagt, das Verhältnis sei noch höher), müssen es bislang mehrere tausend sein, die an der Zeit interessiert sind, die als Zeitalter des Chaos bekannt ist; jene Zeit, bevor die Comyn das Bündnis ihrer sieben großen Häuser etabliert hatten, um über die Reiche zu herrschen; und auch die große Zeit der Türme und der merkwürdigen Technologie, die als »Sternenstein« bekannt ist und später zur Wissenschaft der MatrixTechnik wurde.
Leser des Buches » The Forbidden Tower« werden wissen wollen, daß »Herrin der Stürme« sich mit einer Zeit befaßt, bevor Varzil, der Bewahrer von Neskaya, der auch als »der Gute« bekannt ist, die Techniken vervollkommnete, die es Frauen gestatteten, als Bewahrer in den Türmen der Comyn zu dienen.
In »Die Amazonen von Darkover« sagt Lady Rohana:
»Es gab eine Zeit in der Geschichte der Comyn, in der wir die selektive Fortpflanzung einsetzten, um diese Gaben in unserem Rassenerbe festzuschreiben. Es war eine Zeit großer Tyrannei, an die wir nicht gerade mit Stolz zurückdenken.«
Dies hier ist die Geschichte der Männer und Frauen, die unter dieser Tyrannei lebten; eine Geschichte darüber, wie diese Tyrannei ihr Leben und das jener, die nach ihnen kamen, beeinflußte.
Marion Zimmer Bradley
1
Mit dem Sturm stimmte etwas nicht.
Anders konnte Donal ihn nicht einschätzen …es stimmte etwas nicht. In den Bergen, die man die Hellers nannte, war Hochsommer, und eigentlich dürfte es außer den endlosen Schneegestöbern auf den weiten Höhen über der Baumgrenze und den seltenen wilden Gewittern, die durch die Täler schossen, von Wipfel zu Wipfel sprangen und entwurzelte Bäume und manchmal Brände in den Schneisen ihrer Blitze zurückließen, keine Stürme geben.
Aber obwohl der Himmel blau und wolkenlos war, grollte leiser Donner in der Ferne, und die Luft schien von der Spannung eines Sturms erfüllt. Donal kauerte sich hoch auf den Zinnen zusammen, hielt den Falken in seiner Armbeuge, streichelte den unruhigen Vogel mit einem Finger und summte ihm fast unbewußt eine Melodie vor. Er wußte, daß der in der Luft liegende Sturm und die elektrische Spannung den Falken ängstigten. Er hätte ihn heute nicht aus dem Vogelgatter nehmen dürfen – es würde ihm recht geschehen, wenn der alte Falkner ihn prügelte, und vor einem Jahr noch hätte dieser das auch ohne viel nachzudenken getan. Aber jetzt waren die Verhältnisse anders. Donal war erst zehn, aber in seinem kurzen Leben hatte es bereits viele Veränderungen gegeben.
Die herausragendste davon war, daß im Verlauf weniger Monde die Falkner, Hauslehrer und Reitknechte aufgehört hatten, ihn als ›den Bengel‹ zu bezeichnen und ihn statt dessen mit ›junger Herr‹ ansprachen. Und außerdem hatten sie aufgehört, ihm mit Knüffen, Stößen oder sogar Schlägen Respekt einzubläuen.
Gewiß war das Leben für Donal jetzt leichter, aber das Ausmaß der Veränderung bereitete ihm Unbehagen; denn es war keine Folge seines eigenen Tuns. Es hatte etwas mit der Tatsache zu tun, daß seine Mutter, Aliciane von Rockraven, nun das Bett mit Dom Mikhail, dem Lord von Aldaran, teilte und ihm schon bald ein Kind gebären würde.
Ein einziges Mal, vor langer Zeit (seitdem waren zwei Mittsommerfeste ins Land gegangen), hatte Aliciane zu ihrem Sohn darüber gesprochen.
»Hör mir genau zu, Donal, denn ich werde dies nur ein einziges Mal und dann nie wieder sagen. Das Leben ist nicht leicht für eine schutzlose Frau.« Donals Vater war in einem der kleinen Kriege gestorben, die
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