012 - Das Schloß des Schreckens
Er stammelte was von »Dämonen«, »Ghuls«, »Gehimoperationen«, »teuflischen Experimenten wider die Natur« und Menschen, »die durch Wände gehen und von keiner Waffe verletzt werden konnten«. Dan Miller war eine Berühmtheit in der Filmwelt. Sein Zusammenbruch wurde geheim gehalten. Vier Wochen in der Intensivstation der Nervenklinik sollten ihn wieder geistig normal machen.
»Kein Wunder«, sagte Inspektor Dallas im Police Headquarter von Los Angeles. »Bei dem Leben, das die Filmleute führen ... Saufen, fixen, Weiber, dazu extreme nervliche Belastung und Stress. Es wundert mich, dass dieser Miller überhaupt so lange ausgehalten hat.«
Inspektor Dallas sprach zu anderen Beamten der Stadtpolizei. Sie stimmten ihm zu. Der Inspektor trank seinen schwarzen Kaffee aus und kehrte zurück in den schalldicht abgeschlossenen Raum, in dem der Mörder Glorya Glantons verhört wurde. Der Junge sah gut aus, war steinreich, wusste sich zu benehmen und durchzusetzen. Es bestand also kein Grund für ihn, wegen eines Mädchens, und sei es ein Filmstar, durchzudrehen und einen Mord zu begehen.
Doch das war nicht das Verrückteste, sondern das Verrückteste war das Motiv, das der Junge für seine Tat angab. Er erzählte die ausgefallenste Story, die Inspektor Dallas in seiner dreißigjährigen Polizeilaufbahn je gehört hatte. Der Inspektor hätte dem grünen Bengel längst die Flausen ausgetrieben oder ihn an den Psychiater weitergegeben, doch die Sonderagenten des FBI hörten sich voller Ernst jedes Wort der verrückten Geschichte an.
Was blieb also einem kleinen Inspektor des Morddezernats anderes übrig, als sich gleichfalls in Geduld zu fassen und zuzuhören?
Inspektor Dallas steckte sich eine Zigarette an. Vornübergebeugt saß er auf dem Stuhl, den Hut ins Genick geschoben. Er betrachtete den Gefangenen, einen großen, schlanken, blonden jungen Mann Mitte Zwanzig. Er sah bleich und sehr erschöpft aus. Tiefe, dunkle Ringe lagen unter seinen Augen, seine Bewegungen waren langsam, seine Stimme klang müde. Der grelle Scheinwerfer riß sein Gesicht aus der Dämmerung des vor den Fenstern grauenden Tages.
Zwei FBI Beamte führten abwechselnd das Verhör. Der eine auf die sanfte Tour mit väterlichem Zuspruch, Zigaretten anbietend und gutem Zureden. Der andere auf die harte Tour: Anschreien, Fangfragen, massiver Einsatz psychologischer Mittel. Es war ein hervorragend geführtes Verhör, das dem Jungen keine Chance ließ.
Der Inspektor sah den Gefangenen als einen Jungen an, weil er dreißig Jahre älter war und alle Arten des Verbrechens kennengelernt hatte. Er hörte dem Jungen mit milder Skepsis zu.
Doch irgendwann, während die Dämmerung grau ins Zimmer kroch und die Nacht vertrieb, irgendwann kam dem hartgesottenen Inspektor das Grauen. Er war nicht der einzige. Es war zu ungeheuerlich, was der bleiche junge Mann da erzählte.
Der Junge war sehr müde. Schwarzer Kaffee, Zigaretten und sein Wille hielten ihn aufrecht. Er fühlte sich so bleich und kalt wie der grauende Morgen. Er sprach langsam, leise, mit jenem Harvard Akzent, den der Eingeweihte sofort erkennen kann.
Lautlos drehten sich die Spulen des Tonbandes. Der Polizeistenograf schrieb jedes Wort mit. Von Zeit zu Zeit schüttelte er den Kopf. Zwei Stunden sprach der Junge schon.
»Ich will alles von Anfang an erzählen«, hatte er gesagt, als das Verhör begann. »Damals in Tanger fing alles an.«
***
Dean Warren kam am 1. Februar nach Tanger. Er stieg aus der Boeing 727 der Iberia, ging über den hitzeglühenden Beton zur Zollabfertigung. Außer einem Handkoffer und einer Aktentasche hatte er kein Gepäck. Der fünfundzwanzigjährige Erbe der Warren Cosmetics sah nicht ein, wozu er sich mit schweren Koffern abschleppen sollte.
Sein Scheckbuch und die Travellerschecks reichten schließlich völlig. Vor dem Flughafen fand Warren schnell ein Taxi. Er warf noch einen Blick zurück zur Halle des Flughafens, einem weißen Gebäude mit viel Glas, und zum Tower der Flugsicherung, der einsam aufragte. Dann fuhren sie los.
Das Taxi war ein alter weißer Mercedes Diesel. Auf vielen Umwegen war er nach Tanger gekommen. Der Fahrer sprach kein Englisch, nur Arabisch und ein paar Brocken’ Spanisch und Französisch. Mit Händen und Füßen und unter Aufbietung seines längst vergessenen College Französisch machte Dean Warren ihm klar, dass er zu dem kleinen Ort Murat an der Küste drei Meilen nordwestlich von Tanger wollte.
Der Fahrer strahlte. Das war
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