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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Kleidern, in ihrem Haar, in ihrer Haut saß.
    Bevor sie wusste, wie ihr geschah, nahm die Meisterin ihr Gesicht in beide Hände, überflutete sie mit Blicken, dieetwas erflehten, das Priska nicht zu deuten vermochte. Priska hielt ganz still. Sie wagte kaum zu atmen und schloss die Augen.
    Als Evas Mund ihre brennende Wange berührte, zuckte sie zusammen. Sie spürte Evas Lippen, diesen leichten, warmen Druck, der ihre Haut streichelte. Priskas Lider zitterten, ihre Seele zitterte unter diesen Liebkosungen. Noch nie war sie geküsst worden. Noch nie. Nicht von der Mutter, nicht vom Vater, von den Schwestern, den Brüdern. Die fremden Lippen auf ihrer Haut erschreckten und besänftigten sie zugleich, machten sie fast willenlos.
    Als die Lippen sich von ihrer Wange lösten, öffnete Priska nur zögernd ihre Augen und schlug sie gleich darauf nieder. Sie konnte Eva nicht ansehen. Verwirrt berührte sie mit dem Finger die Stelle, an der sie den Kuss empfangen hatte. Sie wusste nichts zu sagen, wusste nicht, wohin mit den Händen, den Füßen, den Blicken. In ihrer Not griff sie nach ihrem Umhang und rannte aus der Werkstatt.
    Eva sah ihr nach und schüttelte den Kopf.

Zweites Kapitel
    Ich wusste, dass es schwierig sein würde, dachte Johann von Schleußig, doch ich ahnte nicht, dass es unmöglich ist, ihr zu sagen, was ich fühle.
    Er saß in der Wohnstube des Silberschmiedehauses und ließ seinen Blick über die schweren Vorhänge vor den Fenstern schweifen, die den Wind, der durch die Ritzen pfiff, abhalten sollten. Früher hatte er diese dunkelroten Vorhänge mit den goldenen Stickereien immer behaglich gefunden. Jetzt aber, wo es keinen Mann mehr in diesem Haus gab, wirkten sie auf ihn wie Sargtücher. Die Felle, mit denen Bänke, Armlehnstühle und sogar der Dielenboden bedeckt waren, hatten nichts Anheimelndes mehr, sondern waren nur noch die Überbleibsel toter Tiere. Selbst das Licht der Öllampe, die auf dem großen Holztisch stand, und das der Kerzen auf dem Kaminsimsleuchter schienen ihm düster, die flackernden Schatten, die sie an die Wände warfen, beängstigend.
    Er war gekommen, um Eva Trost zu spenden, das war seine Aufgabe als Priester. Doch Eva schien keinen Trost zu brauchen. Sie stand neben dem Kamin. Das Kleid aus dunklem, schwerem Wollstoff war zwar kostbar und aufwendig gearbeitet, umhüllte sie jedoch formlos wie eine Pferdedecke und verwischte die Konturen ihres Körpers. Ihr Haarhatte sie unter einer Haube verborgen, die ebenfalls aus dunklem Stoff war, und Johann von Schleußig erinnerte sie an eine Krähe, die auf einem einsamen, nur von Raureif bedeckten Feld nach nicht vorhandenen Saatkrumen suchte. Er seufzte. Es wäre vielleicht besser gewesen, dachte er und erschrak zugleich über seine Gedanken, wenn ihr Mann David sein Werk vollendet hätte. Was für ein Leben wartete noch auf sie? Eine Witwe war sie nicht, sondern eine Verlassene. Eine Sitzengelassene, die es nicht verstanden hatte, ein gutes Weib zu sein. So würden die Leute reden. Mannlos zu sein war das Schlimmste, was einer Frau geschehen konnte. Sie hatte keine Rechte, durfte keine Geschäfte tätigen, keine Werkstatt führen, wurde von den anderen gemieden und lief immer Gefahr, ihren guten Ruf zu verlieren. Eine verlassene Frau zu sein, das war schlimmer als Witwe oder Jungfer. Denn eine Verlassene war selbst schuld an ihrem Schicksal. Eine Frau hatte dem Mann zu gehorchen. Im Haus, in der Werkstatt, in der Küche und im Bett. Lief er weg, nun, so war sie keine gute Ehefrau gewesen. Die Zunft würde ihr die Werkstatt schließen, die Nachbarinnen den Gruß verweigern, die Männer sie mit scheelen Blicken betrachten und sie den eigenen Frauen als abschreckendes Beispiel vorhalten.
    Wieder seufzte er und musste an sich halten, um nicht aufzustehen und sie in den Arm zu nehmen. Doch er war Priester.
    Nicht nur wegen des Trostes war er gekommen, er brachte auch eine Warnung. Am liebsten würde er schweigen, doch er musste darüber reden.
    Eva lächelte, sie war ahnungslos, welches Unwetter sich über ihrem Haus zusammenbraute. Sie kam zum Tisch, hobden Krug, schenkte Most ein, setzte sich ihm gegenüber und legte die Hände vor sich auf die Tischplatte.
    «Was wollt Ihr jetzt tun so ohne Mann?», fragte der Priester und strich mit der Hand über seine Soutane.
    Eva zuckte mit den Achseln. «David ist fort, aber nur wir wissen, dass er niemals zurückkehrt. Sagen werde ich, er sei auf Reisen gegangen. Ja, das werde ich machen, wenn

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