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Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle

Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle

Titel: Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Funktionsprinzip der neuen Religion. Die beiden versprachen sofort, mitzumachen und ihrerseits zwei neue Unterstützer zu werben. Sie hatten nämlich jede Menge guter Taten in petto, konnten sogar dem Direktor noch welche abgeben. Der bestätigte, dass die beiden begabte Ingenieure waren und gute Arbeit leisteten. Er selbst wiederum betätigte sich als Wohltäter, indem er sie überdurchschnittlich gut bezahlte. Somit waren alle drei akzeptable Gläubige im Reich des Weltalls.
    Es dauerte nicht lange, und schon hatten die Ingenieure ausgerechnet, wann die neue Religion so viele Anhänger hätte, dass man sie als Weltreligion bezeichnen könnte. Wenn eine Person immer zwei neue Gläubige warb, und wenn man annahm, dass sie dafür knapp einen Monat brauchten, wäre in zwei oder spätestens drei Jahren die ganze Menschheit Befürworter des neuen Glaubens, den Lauri und Kalle entwickelt hatten.
    Wie die Ingenieure erklärten, bildete die Zahl der Gläubigen eine sogenannte entgegengesetzte oder divergente geometrische Reihe. Mit der Logarithmenrechnung kam heraus, dass die gesamte Weltbevölkerung (sechs Milliarden) nach dreiunddreißig Monaten gläubig wäre. Wenn alle Gläubigen ihre Bekehrungsarbeit jeden Monat im selben Tempo betreiben würden, wäre das Ziel bereits in weniger als zweiundzwanzig Monaten erreicht.
    Das also errechneten die Prager Ingenieure. Zum Vergleich riefen sich die Anwesenden ins Gedächtnis, dass die Verbreitung des christlichen Glaubens viele Jahrhunderte gedauert hatte, ebenso die des Islam oder des Buddhismus, ganz zu schweigen von den vielen kleinen Sekten, die niemals wirklich große Religionen werden würden.
    Diese faszinierenden Zukunftsaussichten waren einzig dadurch möglich, dass die Religion sich selbst ergänzte, indem jeder Gläubige selbst für eine Weiterentwicklung sorgte. Im Prinzip könnte sich jeder lebende Mensch dem neuen Weltallglauben anschließen.
    Nur zu, dachte Kalle. Lauri war vorsichtiger. Wie sollten sie zu zweit eine so gewaltige Kraft beherrschen? Müsste sich eventuell doch einer von ihnen zum Gott aufschwingen, womöglich alle beide? Göttliche Kräfte waren die eine Sache, aber woher sollten sie die Allmacht nehmen? Als Lauri eine Weile über seine Aufgaben als Gott nachgedacht hatte, musste er feststellen, dass er letzten Endes nur ein gewöhnlicher Sterblicher war – er hatte nicht das Zeug zum Gott, und Kalle ebenfalls nicht. Sie würden sich lieber mit ihrem Schicksal als Mensch begnügen. Außerdem kannte kaum jemand ihrer beider Rolle innerhalb der neuen Religion – abgesehen vom »Schneemenschen«, ihren Ehefrauen, ein paar Tschechen und natürlich Doktor Sorjonen. Alle anderen Gläubigen wussten nichts von ihrem Anteil am Ganzen, würden sie also auch nicht für Götter oder Engel halten.
    Die beiden nahmen den tschechischen Ingenieuren und ihrem Chef das Versprechen ab, die Identität der Gründer der neuen Religion nicht zu verraten. Beide wollten sie lieber kleine bescheidene Menschen bleiben als der mächtigste Gott der Welt.
    Lauri und Kalle schlürften von dem schäumenden Bier einen Krug nach dem anderen, und als sie ein wenig betrunken waren, beschlossen sie, im Internet ein Zentralregister zu gründen und sich darin unter ihrem richtigen Namen und mit ihren persönlichen Daten als erste Gläubige einzutragen. Der Chef der Metallfabrik und ein halbes Dutzend Ingenieure folgten ihrem Beispiel.
    Als Namen für die Internetreligion vereinbarten sie Lonko-Homa , gebildet aus den Nachnamen der beiden Gründer, und ließen ihn auch gleich registrieren. Amüsiert tauschten sie sich darüber aus, ob wohl Jesus oder Johannes der Täufer ähnliche Ambitionen gehabt hatten, als sie vor mehreren tausend Jahren ihrer Religion einen Namen gaben …, nun, zu der Zeit gab es ja noch keinen Computer.
    In dieser Phase mischte sich die Gebetsmühle ins fröhliche Beisammensein und verkündete laut, dass sie alles, was gesagt und worüber gelacht worden sei, gespeichert habe. Niemand kümmerte sich groß um das Gezeter des Kastens, Lauri und Kalle leerten weiter gemeinsam mit dem Chef und den jungen Ingenieuren die Krüge, die einen ganzen Liter Bier fassten. Die Frauen wollten anstelle des Biers gern Sekt, der auch sofort herbeigeschafft wurde und dem sie fleißig zusprachen, viele Male wurde ihnen nachgeschenkt.
    Am lustigsten wurde es, als Lauri und Kalle planten, wo das Zentralregister und der Versammlungsort der Gläubigen angesiedelt sein sollten. Auch

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