Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle
sei und länger als vierundzwanzig Stunden auf einem Felsen im kalten Finnischen Meerbusen hatte stehen müssen. In jener Situation hatte er sich mehrfach auf die Religion besonnen. Von der Reise nach Indien und China mochte er einem wildfremden Menschen nicht erzählen.
Der Zahnarzt war erfreut. Er sagte, dass auch er im Laufe seines Lebens in viele schwierige Situationen geraten sei. Im Meer habe er zwar nicht gestanden, aber es sei manchmal anderweitig brenzlig gewesen. Heutzutage sei er gläubig, und er wolle seinem Patienten von seiner neuen Religion erzählen, die ganz vorzüglich sei.
Bald bemerkte Lauri voller Verblüffung, dass der Arzt von ebenjenem Weltallglauben erzählte, den Kalle und er in Asien erfunden und entwickelt hatten. Inzwischen hatte sich dieser Glaube also bis ans andere Ende der Welt, nach Finnland, verbreitet.
Der Zahnarzt verriet, dass er einen Bekannten habe, einen Internisten, der einige Monate in China in einem Camp der Organisation Ärzte ohne Grenzen verbracht habe. Dort habe ihm ein gewisser Doktor Sorjonen von der neuen Religion erzählt. Nun habe also dieser Bekannte ihn, den Zahnarzt, zu seinem Glaubensgefährten gemacht, und er seinerseits habe die Idee weiterverbreitet. Nach seinen Berechnungen gab es in Finnland bisher mindestens tausend Anhänger der neuen Religion.
»Möglicherweise sind es sogar mehr, es kommen wöchentlich Hunderte Interessenten dazu. Tagtäglich werden jede Menge guter Taten notiert.«
Der Zahnarzt erwähnte mit einigem Stolz, dass auf seinem Konto im Verlaufe des Herbstes mehr als dreißig gute Taten aufgelistet worden seien.
»Dabei habe ich Kleinigkeiten nicht mal erwähnt. In Glaubensdingen soll man nicht übertreiben. Aber bei alten Omas und Opas, die über achtzig sind, berechne ich nicht den Höchstpreis, sondern gebe dreißig Prozent Rabatt.«
Lauri bestätigte, dass diese Freigiebigkeit auf jeden Fall eine gute und notierenswerte Tat sei. Er konnte sich die Frage nicht verkneifen, ob die Tatsache, dass in dieser Religion kein Gott vorhanden sei, den Arzt nicht abschrecke oder zumindest befremde. Nein, keineswegs:
»Sicher, Götter sind wunderbar und verdienen in jeder Weise die Gebete der sündigen Menschen, aber das Weltall ist dennoch etwas ganz anderes. Nicht mal der mächtigste Gott kann mit ihm konkurrieren.«
Lauri versprach, darüber nachzudenken, ob er sich dem Glauben des Zahnarztes anschließen wolle. Dann bezahlte er seine Rechnung und trat gedankenverloren auf die Straße. Kalle und er hatten eine Idee in die Welt gesetzt, die sich mit einem Tempo verbreitete, das sie niemals vorausgesehen hatten. Er rief seinen Freund an und erzählte ihm die Neuigkeit. Kalle bestätigte, dass die Entwicklung schwindelerregend sei und redete dann von einer neuen Erfindung, die noch grandioser sei als die Menschenkapseln.
»Aber davon erzähle ich dir noch nichts, sonst ernte ich wieder Hohn und Spott.«
Lauri bedauerte seine damalige Reaktion, betonte aber, dass man nicht die ganze Menschheit in große Galoschen stopfen könne. Auch wenn Kalle es vielleicht nicht glaubte, aber die Menschen in Kapseln einzuschließen bedeutete, sie ihrer Freiheit und eines menschenwürdigen Lebens zu berauben. Doch Kalle solle sich nur weiter seinen Erfindungen widmen. Er, Lauri, werde die Patentanträge und den übrigen Papierkram übernehmen, so versprach er bereitwillig.
Lauri schlug vor, nach Tschechien zu reisen und einen Vertrag über die Produktion der Gebetsmühlen abzuschließen. Gleichzeitig könnten sie ein, zwei Wochen Herbsturlaub in Prag und gegebenenfalls auch auf dem Lande machen. Kalle begrüßte den Vorschlag, seine Frau Anita hatte sich bereits über das dortige touristische Angebot informiert und eine sehr idyllische Kleinstadt zwischen Prag und Brno, in schönster mitteleuropäischer Provinz, entdeckt. Die Stadt hieß Havlìčkův Brod, wusste Kalle. Und das Beste: Eben dort fand Ende Oktober eine große Buchmesse statt!
Lauri begriff sofort, worauf Kalle hinauswollte. Auf der Messe würde sich die Gelegenheit bieten, die in Indien und China besprochenen Buchpläne vorzustellen. Vielleicht würden sie dort einen aufgeschlossenen Verleger für ihr Projekt finden? Sie hatten beide das Gefühl, dass es geradezu unerlässlich war, nach Tschechien zu reisen. Irma und Anita zum Mitkommen animieren, und dann auf zu spannenden Geschäftsabschlüssen! Eine Vielzahl von Aufgaben warteten auf der Reise: Anschub der Serienproduktion der frivolen
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