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Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Titel: Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Taschner
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Last, die Pascals Vater tagein, tagaus tragen musste, abzuschütteln und einer Maschine zu übertragen, war das Ziel seines Sohnes. Als dieser neunzehn Jahre alt war, hatte er es verwirklicht: Er hatte die erste Rechenmaschine der Welt entworfen und hergestellt. Er taufte sie „Pascaline“.
    Die Pascaline war kein Rechengerät. Derer gab es schon seit der Antike viele. Der berühmte Abakus – das Wort stammt vom griechischen ábakos, übersetzt: die Tafel, das Brett – ist wohl das bekannteste unter ihnen. Er besteht aus einem Rahmen mit Kugeln, von den Römern Calculi genannt – denn calculus ist der kleine Stein –, die auf Stäben aufgefädelt sind beziehungsweise in Nuten, Rillen oder Schlitzen geführt werden. Ein anderes Rechengerät ist der sogenannte Rechenschieber, ein aus verschiebbaren und eigenartig skalierten Linealen bestehendes Rechenhilfsmittel, mit dem man nach eingehender Schulung sogenannte höhere Rechenoperationen wie Multiplikationen, Divisionen, das Ermitteln von Potenzen, Wurzeln und anderes mehr durchführen kann. Schließlich seien die Neperschen Stäbchen erwähnt, benannt nach John Napier, die auf eine sehr raffinierte Weise für Multiplikationen und Divisionen dienlich sind. Doch all dies sind Geräte und keine Maschinen. Bei einem Gerät muss die kluge Handhabung von Menschen erfolgen, die für das Gerät geschult wurden. Bei einer Maschine ist eine Schulung des Bedienungspersonals nicht mehr erforderlich: Sie rechnet scheinbar „von selbst“, buchstäblich „automatisch“ – wie es das griechische Wort „autómata“ nahelegt, das für Dinge steht, die sich von selbst bewegen, wie in der Ilias die sich selbsttätig öffnenden Türen des Olymp.
    Tatsächlich ist die Pascaline ein Rechenautomat. Wer sie sieht, nimmt ein ziegelsteingroßes Messinggehäuse wahr, auf dessen Deckfläche sich oben fünf (bei späteren Versionen der Pascaline sogar mehr als fünf) Sehschlitze befinden, die den Blick auf die Ziffern einer fünfstelligen Zahl freigeben. 22 Unter jedem Schlitz befindet sich auf der Deckfläche der Pascaline ein kleines Rad mit zehn Speichen. Um das Rad sind auf der Deckfläche die Ziffern Null bis Neun so eingraviert, dass die Speichen des Rades immer in die Lücken zwischen zwei aufeinanderfolgenden Ziffern weisen. Das Rad kann mit einem Stift, der in einen der Zwischenräume gesteckt wird, im Uhrzeigersinn bewegt werden. Eine kleine an der Deckfläche angebrachte Haltevorrichtung bewirkt, dass der Stift das Rad wie bei einer Wählscheibe der uralten Telefone nur bis zum Anschlag drehen kann.
    Zeigt die Pascaline auf den Schlitzen die Zahl 00000 an, ist sie im Ausgangszustand. Nun kann man mit ihr eine Addition, zum Beispiel die Rechnung 16 + 45, durchführen. Zuerst gibt man die Zahl 16 ein: Der Stift wird im vorletzten Rad von links in den Zwischenraum der Ziffer 1 gesteckt und bis zum Anschlag gedreht: Es zeigt sich die Zahl 00010. Dann wird der Stift im letzten Rad von links in den Zwischenraum der Ziffer 6 gesteckt und bis zum Anschlag gedreht: Es zeigt sich die Zahl 00016. Sodann gibt man die Zahl 45 ein: Der Stift wird im vorletzten Rad von links in den Zwischenraum der Ziffer 4 gesteckt und bis zum Anschlag gedreht: Jetzt zeigt sich die Zahl 00056. Schließlich wird der Stift im letzten Rad von links in den Zwischenraum der Ziffer 5 gesteckt und bis zum Anschlag gedreht: Verfolgt man dabei die Bewegungen der Ziffern in den Schlitzen, erkennt man, dass bei dieser Drehung nacheinander die Zahlen 00056, 00057, 00058, 00059, dann, wie von Zauberhand erzeugt, 00060 und schließlich, beim Erreichen des Anschlags, 00061 aufscheinen.
    Die Mechanik im Inneren der Pascaline, welche die Bewegung des Rades in eine entsprechende Drehung der Walze übersetzt, ist leicht nachzuvollziehen. Auf der Walze sind die Ziffern 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 eingetragen. Die jeweils oberste Ziffer unterhalb des geöffneten Sehschlitzes kann durch diesen gesehen werden. Die Drehung des Rades, auf die Drehung der Walze übertragen, führt zum Wandel der durch den Schlitz sichtbaren Ziffer. So weit, so einfach. Was Pascal aber gelang, war der sogenannte mechanische Übertrag: Mit einem raffinierten Hebelmechanismus wird, wenn bei einem Rad der Übergang von der Ziffer 9 zur Ziffer 0 erfolgt, gleichzeitig beim linken Nachbarn dieses Rades eine Drehung der Walze um eine Ziffer weiter bewerkstelligt. Dass dies wirklich funktioniert, dass bei der mechanischen Addition von 1 der

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