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Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Titel: Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Taschner
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Binärziffern und sein aus diesen beiden Ziffern bestehendes Zahlensystem das Binär- oder Dualsystem . Diese Vereinfachung hat allerdings einen Preis: Die Maschine muss eine schiere Unzahl von nebeneinanderliegenden Walzen besitzen. Denn mit fünf Walzen allein gelangt man im Dualsystem nicht über sehr kleine Zahlen hinaus: Der Reihe nach lauten nämlich bei nur fünf Walzen im Dualsystem die ersten Zahlen, mit null beginnend über eins, zwei, drei weiter bis hin zu acht: 00000 , 00001 , 00010 , 00011 , 00100 , 00101 , 00 110 , 00111 , 01000 . Das geht für eine kurze Zeit so weiter, aber schon bei 31, in Leibnizens Darstellung als 1 1111 geschrieben, ist endgültig Schluss. Bei der nächsten Zahl würde wieder 00000 angezeigt werden, weil die Walze für die 1 an der sechsten Stelle fehlt.
    Der mystischen Gedanken nicht ganz abgeneigte, tiefgläubige Leibniz sah in der Binärziffer 1 das Symbol des einen Gottes und in der Binärziffer 0 das Symbol der Leere, des Nichts. Dass in der Binärdarstellung die Zahl Sieben 111 lautet, wies für den von der Wahrheit der christlichen Lehre Überzeugten darauf hin, dass der dreieinige Gott in sieben Tagen die Welt geschaffen hatte …
    Aber noch eine andere Deutung kam ihm bei seiner Erfindung der Binärziffern in den Sinn: Man ordnet einer wahren Aussage die Binärziffer 1 und einer falschen Aussage die Binärziffer 0 zu. Heutzutage sagen Logiker dazu ein wenig hochtrabend, dass jede Aussage oder jedes Urteil eine Binärzahl als „Wahrheitswert“ besitzt. Aber schon Leibniz erkannte, dass Manipulationen mit Binärzahlen nicht bloß arithmetische, sondern allgemeiner logische Operationen sind. Sie bilden das Denken ab. „Denken ist Rechnen“, daran begann Leibniz zu glauben. Vielleicht, so meinte er, könne man diesen Gedanken in der Jurisprudenz nutzen: Der Richter „rechnet“ mit den Wahrheitswerten der Aussagen des Angeklagten, des Klägers, der Zeugen, der Anwälte und gelangt so auf unbestechliche Weise zum gerechten Urteil. Führt man diesen Gedanken konsequent zu Ende, kommt man zum Schluss, dass statt eines Richters eine Zahlenmaschine die Arbeit der Urteilsverkündigung übernehmen könnte.
    All dies findet man bei Leibniz nur angedeutet, gleichsam als Aufgabe für künftige Ingenieure umrissen. Erst um 1830 glaubte der englische Mathematiker und Philosoph Charles Babbage eine solch umfassende Zahlenmaschine bauen zu können, die über das Rechnen hinaus auch logische Operationen durchzuführen erlaubte. Ursprünglich hatte er sich bloß vorgenommen, eine sogenannte Differenzenmaschine zu bauen, die nur für besonders öde, aber wichtige Rechnungen im Zusammenhang mit der Navigation von Schiffen als Unterstützung dienen sollte. Doch bald erkannte er, dass man mit Maschinen ein noch viel umfassenderes Feld von Zahlenmanipulationen beackern konnte: Alles, was nach einem vorgegebenen Schema stur Schritt für Schritt bewerkstelligt werden kann, lässt sich maschinell durchführen. Von dieser Idee begeistert, plante er den Bau einer „Analytical Engine“. Sie sollte mit der damals hochmodernen Dampfkraft betrieben werden, wurde zu seinen Lebzeiten aber nicht realisiert. Ähnlich wie Leibniz war auch Babbage mit einer Vielzahl verschiedenster Projekte überlastet: Stürzte er sich mit Feuereifer auf das eine, wurden die anderen sträflich vernachlässigt. Er studierte politische Ökonomie und bildete mit seiner Beschreibung des frühen Kapitalismus eine wichtige Quelle für Karl Marx. Er erstellte statistische Studien, mit denen er die Basis für das Geschäft der Lebensversicherungen schuf. Er erfand, unabhängig von Hermann von Helmholtz, den Augenspiegel, das sogenannte Ophthalmoskop, sowie den „Kuhfänger“, einen an der Stirnseite von Lokomotiven befestigten Schienenräumer. Er schloss aus den verschiedenen Breiten der Jahresringe von Bäumen auf den Klimawandel vergangener Zeiten. Er schaffte es, die Verschlüsselung von Texten nach der Methode des im 16. Jahrhundert lebenden Gelehrten Blaise de Vigenère zu knacken. Und dies ist nur ein Teil der Liste jener Aktivitäten, die Babbage auf Trab hielten.
    Die Verwirklichung von Babbages „Analytical Engine“ scheiterte nicht nur an der Vielfalt seiner Interessen, sondern auch an der noch zu wenig entwickelten Feinmechanik, um die Maschinenteile in der nötigen Präzision herzustellen. Sie scheiterte, weil Babbage seine Entwürfe allzu oft geändert hatte und das britische Parlament nicht mehr bereit war,

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