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Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Titel: Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Taschner
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nach bestimmten Regeln rechnet. Und so wie es beim Schachspiel unumstößlich feststeht, ob der gegnerische König matt gesetzt wurde oder nicht, so erwartet man auch in der Mathematik, dass man von jeder Formel jedenfalls im Prinzip nachprüfen kann, ob sie stimmt oder nicht.
    Das Wort „unendlich“ ist in diesem Schachspiel der Mathematik nichts anderes als eine Figur. Und wie der König im Schach kein Reich besitzt, kein Volk regiert, keine Geschichte schreibt, sondern nur ein geschnitztes Stück Holz in der Hand des Spielers ist, ist auch das Unendliche im Regelspiel Hilberts ein leerer Begriff, dem nichts gewaltig Großes, nichts Überwältigendes anhaftet. „Unendlich“ ist nur ein Wort, mit dem man nach vorgegebenen Regeln umgeht. Und es gilt zu zeigen, dass ein nach einem strengen Regelsystem ausgefeiltes mathematisches „Schachspiel“, bei dem „unendlich“ genauso eine Spielfigur darstellt wie beim gewöhnlichen Schach der König und man einfach nur den Gesetzen der endlichen Arithmetik, also dem Rechnen mit den wohlbekannten endlichen Zahlen folgt, Folgendes zu leisten vermag: einerseits alle in ihm auftretenden Formeln entweder als korrekt oder als falsch zu entlarven und andererseits vielleicht zu Paradoxien, also zu erstaunlichen Phänomenen, aber nie zu Widersprüchen, also in logische Sackgassen zu führen.
    Mitarbeiter Hilberts, unter ihnen Paul Bernays, Wilhelm Ackermann, Jacques Herbrand und John von Neumann, nahmen den Auftrag sofort ernst, dieses Programm ihres Mentors zu verwirklichen. Ein paar Worte seien zu diesen Protagonisten verloren:
    Paul Bernays, in London geborener Züricher Bürger, kam als Bub und junger Mann über Paris und Berlin nach Göttingen. Er lehrte dort nach einem Zwischenaufenthalt in Zürich bis zum Jahre 1933. Als Jude aus Deutschland vertrieben, zog er in die Schweiz und verbrachte seine letzten Jahre an der ETH in Zürich. Er entwarf zusammen mit von Neumann das elegante Regelsystem, in dem die Axiome stehen, die sowohl die Zahlen wie auch das Unendliche als „Spielfiguren“ des mathematischen „Spiels“ befolgen. Von diesem System von Axiomen galt es zu beweisen, dass es vollständig und widerspruchsfrei ist.
    Wilhelm Ackermann war einer der treuesten Schüler Hilberts, dem trotz unermüdlicher Bemühungen um das Programm seines Lehrers eine Laufbahn an der Universität verwehrt blieb. Er schlug den Beruf eines Gymnasiallehrers ein, den er bis knapp vor seinem Tod vorbildhaft ausfüllte. Das Gerücht will nicht verstummen, dass Hilbert ihm wegen seiner Heirat keine Stelle an der Universität verschaffte. „Oh, das ist wunderbar“, soll Hilbert ausgerufen haben, 31 als er von Ackermanns Hochzeit erfuhr, „das sind gute Neuigkeiten für mich. Denn wenn dieser Mann so verrückt ist, dass er heiratet und sogar ein Kind hat, bin ich von jeder Verpflichtung befreit, etwas für ihn tun zu müssen.“
    Jacques Herbrand, 1925 der beste Absolvent der Pariser Eliteuniversität École Normale Supérieure, studierte danach in Göttingen bei John von Neumann und Emmy Noether. Er war mit Hilberts Programm vertraut, lieferte auch einige vielversprechende Beiträge, starb jedoch schon mit 23 Jahren, als er beim Bergsteigen in den Alpen verunglückte.
    John von Neumann kam 1903 im damals noch kaiserlich-königlichen Budapest als Neumann János in einer steinreichen Bankiersfamilie zur Welt. Seit seiner frühesten Kindheit beeindruckte er durch seine unerhörte Vielseitigkeit: Er sprach Dutzende Sprachen, einige davon schneller als die jeweiligen Muttersprachler, er brillierte gleichzeitig mit einem Chemie- und einem Mathematikstudium in Budapest und in Zürich, er entwickelte für die Quantenphysik ein logisch in sich geschlossenes System von Axiomen, ähnlich wie einst Hilbert für die Geometrie, man verdankt ihm die Erfindung der „Architektur“, die den programmierbaren Rechenmaschinen zugrunde liegt, er entwickelte zusammen mit Oskar Morgenstern die mathematische Spieltheorie, und gegen Ende seines Lebens beriet er die Strategen der amerikanischen Außen- und Verteidigungspolitik. Mit seinem quirligen Wesen, seiner unglaublichen Auffassungsgabe, seinem rasanten Denken, seinem dandyhaften Verhalten galt er als Tausendsassa der Wissenschaft. Wem, wenn nicht ihm, war zuzutrauen, dass er Hilberts Programm binnen weniger Jahren verwirklichte.
    Tatsächlich stellten sich schon in den ersten Jahren bei der Verfolgung von Hilberts Programm ermutigende Teilresultate ein.

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