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Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Titel: Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Taschner
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des ungezwungenen Umgangs mit dem Unendlichen aufs Korn nimmt. Oder wenn er angesichts ihrer abgehobenen formalen Theorien meint, dass in ihrem Lichte sich „die Mathematik als eine ungeheure Papierwirtschaft“ entwickle, und dabei offenbar das wertlose Papiergeld vor Augen hat, das die Leute damals im wahrsten Sinne des Wortes verheizten, um sich wärmen zu können. Und wenn er allein in den Vorschlägen seines holländischen Kollegen Brouwer die Rettung aus der Grundlagenkrise erkennt und dies pathetisch (in einer seriösen wissenschaftlichen Zeitschrift!) mit dem Wort „Brouwer – das ist die Revolution!“ verkündet.
    Der Gegenentwurf, so Weyl, ist die Mathematik Brouwers. In ihr könne man mit unendlichen Dezimalzahlen nicht einfach so verfahren wie mit gewöhnlichen „endlichen“ Zahlen – auch dann nicht, wenn man sie als „Spielfiguren“ eines axiomatischen mathematischen „Spiels“ auffasste. Das Unendliche sei vielmehr ein Grenzbegriff, der sich dem Zugriff durch das Denken ewig entziehe. Darum seien manche mathematischen Sätze, die aus der Sicht von Brouwer und Weyl von einer allzu naiven Sicht des Unendlichen herrührten, zu verwerfen. Ebenso seien die Geschichten von „Hilberts Hotel“ halt- und sinnlose Spekulationen – mit Ausnahme der letzten, bei der die verschiedenen Aspekte des Unendlichen, „abzählbar“ oder „überabzählbar“, in Erscheinung traten. Diese Einsicht Cantors besaß auch für Brouwer und Weyl einen wahren Kern, wenn auch nicht so, wie ihn Cantor zu verstehen glaubte.
    Weyl schrieb bereits 1908, als er von einer noch auf Sand gebauten Mathematik sprach: „Ich glaube, diesen schwankenden Grund durch Stützen von zuverlässiger Festigkeit ersetzen zu können; doch tragen sie nicht alles, was man heute allgemein für gesichert hält; den Rest gebe ich preis, weil ich keine andere Möglichkeit sehe.“
    Hilbert tobte. 33 In einem Aufsatz über die „Neubegründung der Mathematik“ schrieb er zu Beginn noch einigermaßen gefasst: „Angesehene und hochverdiente Mathematiker, Weyl und Brouwer, suchen die Lösung des Problems“ –gemeint ist die Sicherung der Mathematik als Ganzes –„auf einem meiner Meinung nach falschem Wege.“ Aber zwei Seiten später spürt man seinen aufgestauten Grimm: Weyl und Brouwer, so schrieb er, „suchen die Mathematik dadurch zu begründen, dass sie alles ihnen unbequem Erscheinende über Bord werfen und eine Verbotsdiktatur“ errichten. Danach folgen die zornigen Worte: „Dies heißt aber unsere Wissenschaft zerstückeln und verstümmeln, und wir laufen Gefahr einen großen Teil unserer wertvollsten Schätze zu verlieren, wenn wir solchen Reformatoren folgen.“ Und direkt auf seinen Schüler Weyl gemünzt: „Nein, Brouwer ist nicht, wie Weyl meint die Revolution, sondern die Wiederholung eines Putschversuches mit alten Mitteln.“
    Nicht der längst verstorbene du Bois-Reymond, die beiden „Putschisten“ Brouwer und Weyl hatte Hilbert im Visier, als er sein Programm verkündete. Brouwer ließ Hilberts Programm kalt. Selbst wenn ein vollständiges und widerspruchsfreies System von Axiomen der Mathematik Hilberts ein sicheres Fundament verschaffte, mit der Wirklichkeit des Unendlichen, der sich Brouwer intuitiv näherte, hatte ein Spiel mit blinden Begriffen für ihn nichts zu tun. Hermann Weyl hingegen, wohl auch aus Respekt seinem verehrten Lehrer gegenüber verunsichert, nahm eine abwartende Position ein. Er wusste, dass bei Anwendungen der Mathematik in den Natur- und Ingenieurdisziplinen der prinzipielle Unterschied zwischen gewöhnlichen Zahlen und unendlichen Dezimalzahlen keine Rolle spielt und die Vertreter dieser Fachrichtungen den in der Mathematik schwelenden Streit gar nicht verstehen. 34 Und sicher erblickte er im intellektuellen Anspruch, den das Programm von David Hilbert darstellte, eine unerhört reizvolle Aufgabe. Ein Erfolg dieses Programms hätte ihn vielleicht an seiner an Poincaré und Brouwer orientierten Haltung zweifeln lassen.
    Doch die Geschichte verlief ganz anders.

Der größte Logiker des Jahrhunderts
    Nach Göttingen, Paris, Amsterdam und Zürich wenden wir uns dem nächsten Schauplatz zu: der nach dem Ersten Weltkrieg noch mühsam von ihrem ehemaligen Glanz als Reichs-, Haupt- und Residenzstadt einer einstigen Großmacht zehrenden Donaumetropole Wien. An ihrer Universität, in der sich die brillantesten von der Mathematik und dem „Tractatus logico-philosophicus“ des Ludwig

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