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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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schaltete die Taschenlampe aus, drängte Capelli hinter sich, schloss seine Finger fest um den Schraubenschlüssel und hielt die Luft an.
    Es vergingen einige Momente, die sich wie Stunden anfühlten, dann waren erneut Schritte zu hören. Wer auch immer sich noch in der Bibliothek befand, ging wieder nach oben.
    Langsam atmete Morell aus. Seine Kopfschmerzen waren wie weggeblasen, dafür hatte das Adrenalin in seinem Körper gesorgt. Er ging auf die Treppe zu und hielt dabei den Schraubenschlüssel so heftig umklammert, dass seine Finger wehtaten. Capelli folgte ihm.
    Vorsichtig schlichen sie die Stufen hoch und blieben im ersten Stock stehen.
    »Da«, flüsterte Morell so leise er nur konnte und zeigte auf das Ende eines langen Flures, der vor ihnen lag.
    Capelli nickte. Sie sah, was er meinte. Am Ende des Flures drang Licht aus einem kleinen Spalt unter einer Tür.
    Morell huschte auf die Tür zu, und wieder einmal wunderte sich Capelli, wie es der sonst so träge und behäbige Mann manchmal schaffte, so flink und grazil zu sein.
    Er öffnete die Tür einen Spaltbreit und streckte seinen Kopf durch den Schlitz. Vor ihm lag der Lesesaal. Im Erdgeschoss befanden sich nur der Schalter, an dem die Bibliothekarin saß, und ein kleiner Raum mit Kinderbüchern. Der Leseraum und die Bücher für Erwachsene waren hier im ersten Stock.
    Morell blieb stehen, hielt die Luft an und lauschte. Außer seinem
eigenen Herzschlag und dem Atem von Capelli, die hinter ihm stand, konnte er nichts hören. Er drehte sich um und schaute die Gerichtsmedizinerin an. Obwohl es kalt war, hatten sich Schweißperlen auf ihrer Stirn gebildet. Der Schraubenzieher in ihrer Hand zitterte. Sie zeigte nach links, wo das schwache Licht herkam, und Morell nickte. Eine der Leselampen brannte. Sie gingen langsam darauf zu.
     
    In dem schummrigen Licht war zunächst nur die Silhouette einer Person zu erkennen, die etwas zu bauen schien. Auf den ersten Blick erinnerte Morell die Situation an ein Kind, das am Strand eine Sandburg errichtete, doch dann sah er, dass die Gestalt Bücher auf etwas draufstapelte. Oder, besser gesagt, auf jemanden, denn er konnte erkennen, wie ganz unten am Boden eine Hand aus dem Bücherberg hervorschaute – Lorentz!
    Morell überlegte, was er tun sollte, weil er von seinem Platz aus nicht sehen konnte, ob der Täter bewaffnet war. Er drehte sich zu Capelli um, aber sie war nicht mehr da.
    Augenblicklich fing sein Kopf wieder an zu schmerzen. Er konnte sich nicht konzentrieren, hatte das Gefühl, dass die Situation ihm entglitt, außer Kontrolle geriet, so wie bei Sascha Genz. Er musste etwas unternehmen. Aber was? Seine Grübelei wurde durch ein dumpfes Geräusch, gefolgt von einem kurzen Stöhnen, unterbrochen.
    »Otto«, hörte er Capelli rufen. »Komm her und hilf mir!«
    »Verdammt«, murmelte er, holte tief Luft und machte einen großen Schritt vor das Bücherregal. In der einen Hand hielt er noch immer den Schraubenschlüssel, in der anderen die Taschenlampe, die er jetzt anknipste.
    Im Lichtkegel sah er Capelli, die wie eine Wahnsinnige Bücher von dem Stapel schleuderte. Neben ihr lag eine reglose Gestalt auf dem Bauch. Morell konnte eine Menge blonder Haare sehen, aus denen langsam ein wenig Blut tropfte. »Iris?«, fragte er.
    »Komm, hilf mir die Bücher von Leander runterzubekommen!«, rief Capelli. »Er erstickt sonst.«
    Morell löste sich aus seiner Erstarrung, rannte auf den Bücherberg zu und begann mit beiden Händen, die Wälzer von Lorentz’ Körper zu entfernen.
    »Leander!«, schrie Capelli. »Leander! Wir sind hier! Nicht aufgeben!«
    Nachdem sie auch die letzten Bücher beseitigt hatten, kam ein blasser, fahler Lorentz zum Vorschein. Er war entweder ohnmächtig oder tot.
    »Lebt er noch?«, hauchte Morell verzweifelt.
    Capelli, die sich neben Lorentz gekniet hatte, nickte und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Er atmet. Wir haben Glück. Lange hätte er nicht mehr durchgehalten.« Sie streichelte Lorentz’ Gesicht und küsste seine Stirn. »Armer Leander«, begann sie zu schluchzen. »Und ich habe so schlecht über dich gedacht.« Sie zog ihr Handy aus der Tasche und wählte den Notruf.
     
    »Sie sind bald da«, sagte Capelli, als sie aufgelegt hatte, und tätschelte Lorentz’ Wangen, die langsam wieder ein wenig Farbe bekommen hatten.
    Morell atmete erleichtert auf und wandte sich zu Iris. Doch die Stelle, an der sie eben noch gelegen hatte, war leer.
    »Verdammt, sie ist weg«, rief

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