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Aufstand der Fischer von St. Barbara

Aufstand der Fischer von St. Barbara

Titel: Aufstand der Fischer von St. Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
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Band 20 der Bibliothek Suhrkamp

    Anna Seghers Aufstand der Fischer von St. Barbara

    Suhrkamp Verlag
    2.–5. Tausend 966
Alle Rechte vorbehalten · Printed in Germany
Offsetnachdruck von Elektra, Frankfurt a. M.-Höchst
Bindearbeiten von Karl Hanke, Düsseldorf

    I
    D er Aufstand der Fischer von St. Barbara endete mit der verspäteten Ausfahrt zu den Bedingungen der vergangenen vier Jahre. Man kann sagen, daß der Aufstand eigentlich schon zu Ende war, bevor Hull nach Port Sebastian eingeliefert wurde und Andreas auf der Flucht durch die Klippen umkam. Der Präfekt reiste ab, nachdem er in die Hauptstadt berichtet hatte, daß die Ruhe an der Bucht wiederhergestellt sei. St. Barbara sah jetzt wirklich aus, wie es jeden Sommer aussah. Aber längst, nachdem die Soldaten zurückgezogen, die Fischer auf der See waren, saß der Aufstand noch auf dem leeren, weißen, sommerlich kahlen Marktplatz und dachte ruhig an die Seinigen, die er geboren, aufgezogen, gepflegt und behütet hatte für das, was für sie am besten war.    Frühmorgens, Anfang Oktober, fuhr Hull auf dem kleinen, rostigen Küstendampfer nach St. Barbara. Er kam von der Margareteninsel. Nach dem Aufstand von Port Sebastian hatte er dort den Sommer über auf der Bank einer Hafenkneipe herumgelungert. Er hatte seinen Fuß ausgeheilt, der, wie es im Steckbrief hieß, infolge eines Schusses hinkte.    Der Regen stand in der Luf. Ein Koppel Hammel, eingesperrt neben dem Maschinenraum, blökte. Der Geruch der Salzluf, der Tiere und des Maschinenöls vermischte sich zu dem einen süßen Geruch der Überfahrt. Hull verfolgte über dem Geländer die weiße Narbe, die das Schiff dem Meere riß, die wieder heilte und wieder riß und wieder heilte und wieder riß. Da kam ihm der Gedanke, er müsse sich das alles genau merken, nicht nur die Narbe, auch die Knöpfe an der Weste des Kapitäns, auch die Vögel in der Luf, auch den Geruch, alles, überhaupt alles. Neben ihm, außer den Tieren der einzige Passagier, hing ein Mädchen über dem Geländer. Sie döste zwischen ihren schwarzen Zotteln ins Wasser.    Hatte er nicht ihr gelbes Halstuch öfers auf dem Strand der Margareteninsel zwischen den Schiffen und Soldaten herumflitschen sehen? Jetzt brachte sie zurück in das heimatliche Dorf ihren mageren, von den Fäusten der Matrosen ausgepreßten Körper, deren Liebe nicht einmal ausgereicht hatte, um Armbänder an ihre braunen, grätendürren Arme zu ziehen. Er bekam plötzlich Lust auf sie. Wenigstens ihre Brust mußte er berührt haben, bevor der Streifen da hinten zu Land wurde. Aber das Mädchen schwenkte um ihn herum, legte sich über den Maschinenraum und rief dem Heizer etwas zu. Hull ging an das andere Ende des Dampfers. Sein Herz erfüllte sich mit Enttäuschung, als ob ihn Wunder was für ein Mädchen im Stich gelassen hätte. Er sah wieder ins Wasser. Wieder bekam er eine Gier, sich alles genau zu merken. Auf einmal dachte er, daß das alles, seine unsinnige Lust nach diesem häßlichen, dürren Mädchen, seine Gier, sich alles genau zu merken, nichts andres als die Todesangst selbst war, von der er manchmal hatte sprechen hören.    Es wurde Mittag. Er erschrak. Der braune Streifen war nicht mehr irgendeine Ferne, er war schon Land. Das war das Kreisrund Küste aus dem Feldstecher, die Steinhaufen von Hütten die Klippen entlang, die Maste stachen in die lebendige Luf, langsam schiebt sich der Riegel der Mole von der schmalen, tiefeingefressenen Bucht.    Es konnte trotzdem noch etwas dazwischenkommen, der Dampfer konnte noch umkehren, die Küste wieder zurücktreten. Da schrie der Dampfer, die Küste kam mit einem Ruck näher. Dann war es wieder still, graue, schläfrige Fahrt. Dann hüpfe die Schiffsglocke. Auf dem Landungssteg im Regen kauerten zwei Einheimische. Das Seil flog. Das Mädchen beugte sich tief herunter.    „He, Marie, bist auch nicht fetter geworden!" – „Was an dir schon dran ist!" Der eine lachte, der andre, ein ganz junger, drehte den Kopf und betrachtete das Mädchen mit zugekniffenen Augen. Dann stutzte er. Er bemerkte Hull. Einen Augenblick gab es in seinem braunen gleichmütigen Gesicht  beim Anblick des Fremden einen Ausdruck von Neugierde, Hoffnung und ein wenig Hochmut.
       Der Wirt wischte mit dem Ärmel den Tisch ab und stellte Glas und Flasche darauf mit einem haßerfüllten Blick auf diesen auswärtigen Gast, der teuren Branntwein bestellte in einem Jahr, in dem seine Landsleute nicht

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