Die Zauberer 01 - Die Zauberer
streunen und arglose Kaufleute auszurauben?«
»Zu Höherem berufen? Was meint Ihr damit?«
»Diese Gabe ist ganz erstaunlich.«
»Vielleicht.« Granock zuckte mit den Schultern. »Ich habe sie, solange ich denken kann. Wenn ich es mir nur fest genug wünsche, kann ich Menschen erstarren lassen.«
»Keineswegs«, widersprach Farawyn kopfschüttelnd. »Es sind nicht die Menschen, die du erstarren lässt - es ist die Zeit um sie herum. Die Kaufleute bewegen sich noch immer, nur eben sehr viel langsamer als du. Wenn der Bann von ihnen abfällt, werden sie glauben, dass nur ein Augenblick verstrichen ist - und sich wundern, wo ihre Geldbörsen geblieben sind.« »Allerdings«, pflichtete Granock ihm grinsend bei.
»Eine herausragende Fähigkeit«, sagte Farawyn, »deren Wirkung allerdings nur von sehr kurzer Dauer ist.«
»Was soll's?«, fragte der junge Dieb. »Bislang bin ich ganz gut damit zurechtgekommen.«
»Bislang«, gab Farawyn zu. »Aber würdest du nicht gern lernen, deine Kräfte noch wirkungsvoller einzusetzen? Möchtest du nicht eine bevorzugte Stellung einnehmen unter den Sterblichen?«
Granock brauchte nicht lange zu überlegen.
»Nein«, erwiderte er rundheraus.
»Warum nicht?«
»Ganz einfach: weil ich alles habe, was ich zum Überleben brauche. Und weil ich ganz gewiss nicht auf den Rat eines Elfen angewiesen bin, um ...« Er verstummte, als plötzlich aufgeregtes Geschrei zu vernehmen war. »Zu Hilfe! Zu Hilfe!«, brüllte jemand aus Leibeskräften. »Wir wurden ausgeraubt...!«
»Natürlich brauchst du den Rat eines Elfen nicht«, sagte Farawyn leichthin. »Zieh nur weiter deiner Wege und stiehl dich durchs Leben. Vermutlich wird es noch eine ganze Weile dauern, bis sie dir auf die Schliche kommen, doch dann werden sie eine Möglichkeit finden, dich zu fassen. Den >Blitzdieb< nennen sie dich, richtig? Nun, ich bin sicher, sie werden dich in ihren Kerkern zuvorkommend behandeln.«
»Zuvorkommend?«, fragte Granock, während bereits das Stampfen von Soldatenstiefeln und das Klirren von Kettenhemden in den Gassen widerhallten. »Was meint Ihr damit?«
»Zweifellos werden sie dich foltern, um zu erfahren, wie du diese erstaunlichen Dinge bewerkstelligst. Aber da du das selbst nicht weißt, wirst du ihnen eine Antwort schuldig bleiben. Also werden sie dich weiterfoltern und immer weiter, gemäß dem Gesetz der Unvernunft. Irgendwann wirst du die Schmerzen nicht mehr ertragen. Dann wirst du entweder anfangen, ihnen Lügen zu erzählen, oder den Verstand verlieren. Vorausgesetzt, du bist dann überhaupt noch am Leben.«
Granock machte ein verdrießliches Gesicht. Was der Elf ihm da vor Augen führte, waren keine sehr erbaulichen Aussichten. Und wenn er ehrlich gegenüber sich selbst war, musste er sich eingestehen, dass auch er insgeheim diese Befürchtungen hegte. Bislang hatte er immer Glück gehabt - aber wer vermochte zu sagen, wie lange dieses Glück noch andauern würde? »Ich hingegen«, fuhr der Zauberer fort, »biete dir nicht nur Schutz, sondern auch die Möglichkeit, andere kennenzulernen, die über ähnliche Fähigkeiten verfügen wie du.«
»Andere? Ihr meint, es gibt noch mehr von meiner Art?«
»Das will ich meinen, junger Freund«, versicherte Farawyn amüsiert - an dem Geschrei, das durch die Gasse hallte, schien er sich gar nicht zu stören. »Es war der Blitzdieb!«, hörte man einen der Kaufleute brüllen. »Wo ist er hin?«
»Das wissen wir nicht. So schnell er aufgetaucht ist, so plötzlich ist er auch wieder verschwunden.«
»Könnt ihr ihn beschreiben? Wie sah er aus?«
»Auch das wissen wir nicht...«
»Es gibt einen Ort«, erklärte der Zauberer weiter, »an dem sich all jene versammeln, die die Vorsehung mit einer besonderen Gabe bedacht hat. Dieser Ort ist ihnen Zuflucht und Heimat. Dort lernen sie, ihre Fähigkeiten zu vervollkommnen, und sie stellen sie in den Dienst eines höheren Ideals.« »Was meint Ihr mit höherem Ideal?«
Farawyn lächelte. »Es mag dir seltsam erscheinen, aber es gibt hehrere Ziele, als sich den Wanst zu füllen und in einem warmen Bett zu schlafen.« »Ach ja?« Granocks Erstaunen war keineswegs gespielt. »Und welche?« »Er kann noch nicht weit sein!«, rief jemand heiser durch die Nacht. »Vermutlich ist er in diese Gasse gelaufen. Los, Männer, folgt mir!« Erneut waren Stiefeltritte und das Geklirr von Rüstzeug zu hören. Jeden Augenblick würden die Soldaten der Stadtwache auftauchen.
»Komm mit mir, und ich verspreche dir,
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