Die Zauberer 01 - Die Zauberer
begehrlich nach Tirgas Lan zu blicken, führten sie untereinander Kriege. Blutige Scharmützel zwischen den Soldaten Sundarils und jenen aus Andaril waren eher die Regel als die Ausnahme, und auch die übrigen Städte gefielen sich darin, ihre Kräfte in ebenso sinnlosen wie aufreibenden Kämpfen zu messen.
Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte Elidor dieses Vorgehen als unmoralisch empfunden. Inzwischen jedoch war er überzeugt, dass es der einzige Weg war, die Menschen in Zaum zu halten - und dass man damit letztlich noch größeres und schrecklicheres Blutvergießen vermied.
Nun jedoch war etwas geschehen, das das mühsam konstruierte System, mit dem man die Menschen unter Kontrolle hielt, erschüttert hatte. Iwein, Fürst Erweins jüngster Sohn, der seinen Vater zu den Unterredungen nach Tirgas Lan begleitet hatte, war zu Tode gekommen. Nicht durch ein tragisches Unglück, sondern durch die Hand einer Elfin.
Es war Mord gewesen.
Der erste, den ein Elb seit undenkbar langer Zeit begangen hatte. Warum nur, fragte sich Elidor wieder und immer wieder, hatte diese Untat ausgerechnet in seine Regierungsperiode von gerade mal hundertvierzehn Jahren fallen müssen?
Es war in den Ehrwürdigen Gärten geschehen, einem Ort, dessen Betreten Menschen untersagt war. Erweins eigensinniger, gerade erst dem Kindesalter entwachsener Sohn hatte es dennoch getan - und furchtbar dafür bezahlt. Und natürlich verlangte Erwein Genugtuung für den Schmerz, der ihm zugefügt worden war.
Aus einer Begegnung, die der Sicherheit des Reiches hatte dienen sollen, war ein Krisentreffen geworden. Denn eines ließ sich mit Bestimmtheit sagen: Die Zölle zu senken oder steuerliche Vergünstigungen auszusprechen, würde diesmal nicht reichen, um den Unmut der Menschen zu besänftigen. Elidor unterdrückte ein resigniertes Seufzen. Das durfte er sich nicht erlauben in der Gegenwart jenes Menschen, der mit seinem Gefolge aus fünf Kriegern vor seinem Thronpodest stand, am ganzen Körper bebend vor Zorn und mit dunkel geränderten Augen. Er hatte einen ungepflegten zotteligen Bart und in wilden Strähnen hängendes Haar, und über seinem Kettenhemd trug er einen roten Waffenrock mit dem schwarzen Adler Andarils auf der Brust. »Fürst Erwein«, hörte sich Elidor selbst sagen und bemühte sich, seine Stimme dabei so sanft wie nur irgend möglich klingen zu lassen. »Bitte seid meiner Anteilnahme versichert. Ich war zutiefst betroffen, als ich von dem schrecklichen Vorfall hörte, und ...«
»Eure Anteilnahme in allen Ehren, Hoheit«, fiel Erwein dem König unter Missachtung jeglichen Hofprotokolls ins Wort, »aber die gibt mir nicht den Sohn zurück, den ich verloren habe.«
»Das weiß ich, Fürst, aber ...«
»Dem Schicksal hat es gefallen, dass jede meiner drei Frauen mir einen Sohn schenkte«, fuhr Erwein düster fort. »Ortwin ist der älteste, groß an Wuchs wie an Körperkraft, aber langsam im Denken und leicht zu durchschauen. Nurtwin war mein Zweitgeborener, doch die Zwerge erschlugen ihn in der Schlacht von Kamlach. Vor sechzehn Wintern schließlich kam Iwein zur Welt, und von früher Jugend an zeigte er, dass er eines Fürsten von Andaril würdig war. Auf ihm ruhte all meine Hoffnung für die Zukunft. Nun jedoch lebt er nicht mehr, wurde er niedergestreckt von der Hand einer feigen Mörderin. Der Quell meiner Freude ist versiegt. Und Ihr, Hoheit, sprecht von Anteilnahme?« Ehe der König etwas erwidern konnte, ergriff Fürst Ardghal, sein Oberster Berater, das Wort; er war in der Kunst der Diplomatie und des geschickten Verhandelns ungleich beschlagener als der schöngeistige Elidor. »Seine Majestät bestreitet keineswegs Euren hohen Verlust, Fürst Erwein«, versicherte Ardghal beflissen, »noch maßt er sich an, auch nur annähernd nachfühlen zu können, wie groß Euer Schmerz sein muss. Euer Wertvollstes wurde Euch genommen, und niemand von uns, nicht einmal der König selbst, vermag auszudrücken, wie groß unser Bedauern über diesen Zwischenfall ...« »Zwischenfall?«, schnitt Erwein auch dem Berater das Wort ab. »Was Ihr als einen Zwischenfall bezeichnet, Ardghal, nenne ich feigen, niederträchtigen Mord!«
Das feindselige Lodern in den Augen des Fürsten war unübersehbar, und Elidor erschauderte angesichts des Zorns, der ihm vonseiten des Menschen entgegenschlug. Noch niemals zuvor hatte' er solch rohe Gefühle, einen solchen Ausbruch negativer Empfindung erlebt, und in diesem Moment erahnte er, wozu Menschen fähig
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