Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
Vom Netzwerk:
ist. Vielleicht sehen auch die Kinder sie eines Tages nicht mehr. Und ich, ich bin wohl falsch gebaut, denn ich habe neben der Wasserfrau und all ihrer schuppigen, glitschigen Pracht gesessen und habe mich mit ihr unterhalten, auch wenn es nur im Traum war. Lieber Gott, lieber Gott, warum hast DU mich nicht auch als vollkommene und untadelige Lady erschaffen? Dann würde ich alles so sehen, wie es sein soll. Und wenn, dann hättest DU Schöpfer des Himmels und der Erden mir auch ruhig goldenes Haar machen können, weil das so viel höher geschätzt wird. Aber Gott, der so oft in Rätseln spricht, beliebte es, mir auch diesmal nicht zu antworten.

    Die Verkündigung des Aufgebots versetzte die Grafschaft in hellen Aufruhr. Karren und Fuhrknechte mit Packeseln trafen ein, alle dank der Burgunder mit guten Dingen beladen. Und da Hochzeit üppige Bewirtung bedeutete, folgte ihnen das ganze Treibgut des Lebens: Spielleute und Gaukler und Krüppel, die behaupteten, sie wären verwundete Waffengefährten, und Wahrsager und fahrende Scholaren und Almosenhändler und so weiter und so fort, und die schlugen draußen vor dem Burgtor ihr Lager auf und drangen bis auf den Hof. Alsdann wurden Hochzeitsbitter zum höheren Landadel und zu den Nachbarn geschickt, und wer nicht in der Nähe wohnte, reiste mit Gefolge an und fand Aufnahme in unweit gelegenen Burgen, darunter auch Brokesford selbst. Gilbert und Hugo folgten ihrem Vater auf Schritt und Tritt, und jedesmal, wenn er sich über die Menschenmassen und den ganzen Umstand aufregen wollte und es so aussah, als könnten Möbel durch die Luft fliegen, füllten sie ihn mit Ale ab und sagten ihm, was für ein großzügiger Gastgeber er doch sei, bis er vergaß, worüber er sich aufgeregt hatte.
    Doch dann geschah etwas, was den alten Brummbären in strahlende Laune versetzte: Madame Agathes Vetter schickte einen verängstigten Boten, der Glückwünsche an den mächtigen Herrn von Brokesford, den Waffengefährten des allerhöchsten und allermächtigsten Herzogs von Lancaster, überbrachte. Und Sir Hubert machte ihm klar, daß die Ländereien aus Madames Mitgift ein sehr hübsches kleines Hochzeitsgeschenk seien, was den Zorn seiner vielen mächtigen Gönner vom Haupte ihres undankbaren Vetters abwenden würde: »Unter anderem auch den des königlichen Richters, Sir Ralph FitzWilliam«, brüllte er und versetzte dem Boten einen Tritt, daß er die Treppe vor der Haustür hinunterpurzelte: »FALLS IHR DAS NICHT MITBEKOMMEN HABT!«
    »Vater, Ihr wollt Euch doch nicht schon wieder einen Rechtsstreit aufhalsen«, sagte Gilbert, klopfte dem Edelmann, den Madames frühere Verwandtschaft geschickt hatte, eiligst den Dreck ab und entschuldigte sich bei ihm.
    »UNFUG!« brüllte Sir Hubert hinter ihm her. »Du weißt doch, wie gut der letzte ausgegangen ist! Daß dich der Teufel… Niemand hat sich getraut, uns vor Gericht entgegenzutreten!«
    »Hugo, wo ist der Ale-Becher?« fragte Gilbert und sah ganz blaß um die Nase aus.
    »Den habe ich ausgetrunken, Bruder. O Margaret, da seid Ihr ja. Woher habt Ihr gewußt, daß wir ihm nachschenken müssen? Gebt alles Gilbert. Er braucht es am dringendsten.«
    Doch danach schüttelte der Herr von Brokesford allen Unbill ab wie die Ente das Wasser, durchmaß sein Anwesen mit einem Blick, der in weite Fernen gerichtet war, und summte dabei tonlos vor sich hin wie immer, wenn er sich ein neues Schelmenstück ausdachte.
    »Das gefällt mir nicht«, sagte Gilbert, als wir an diesem Abend im Bett saßen, während ringsum Dutzende von Gästen, die man allesamt zu uns in den Söller gequetscht hatte, schnarchten, schnauften und atmeten. »Als er das letztemal so war, hat er im Alleingang eine französische Stellung gestürmt.«
    »Mein Herr Gemahl, hört dieses eine Mal auf mich. Sobald sie ehelich verbunden sind, setzen wir uns in Windeseile von hier ab.«
    »Abgemacht. Wir packen am Abend zuvor.«
    »Wir verlassen ihn ja nicht. Jetzt kümmert sich Madame um ihn, obwohl das selbst ihre heldenhaften Kräfte übersteigen könnte.«
    »Oh, wohl kaum. Ich habe ihre Qualitäten von Anfang an erkannt. Warum, glaubst du, habe ich mir all diese Mühe gemacht?«
    »Gregory! Habe ich richtig gehört? Solltest du dir einen Kuppelpelz verdient haben?«
    »Nicht direkt. Bei Vater weiß man nie. Sagen wir, ich wollte ein wenig nachhelfen, das heißt, sie sollten sich kennenlernen; und das war unvermeidlich, weil er uns doch immer wieder überfallen hat. Ich fand, es wäre

Weitere Kostenlose Bücher