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Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
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reserviert.

    Vermutlich war es unausweichlich, dass wir nach der Uni getrennte Wege gingen. Zuerst lernte Alison Andrew kennen und heiratete ihn. Ich muss zugeben, dass ich nie viel mit Andrew hatte anfangen können. Er gehörte zu den rotbackigen, verschwitzten Männern, die gern Rugby spielen, war herzlich und übertrieben selbstbewusst und hatte die Angewohnheit, einem mitten im Gespräch ans Knie zu fassen oder sonst wohin, je nachdem wie betrunken er war. Er besaß einen boshaften Sinn für Humor, und nichts auf der Welt konnte ihn in Verlegenheit bringen. Für eine Weile zumindest machte er Alison glücklich, und ich tat mein Bestes, um mich mit ihm anzufreunden. Immer wieder fand ich Zuflucht bei den beiden, wenn mir wieder einmal der falsche Mann das Herz gebrochen hatte. Dann schenkten sie mir ein Glas nach dem anderen ein, und Alison drückte ein Auge zu, wenn Andrew unbeholfen mit mir flirtete, während ich lachte und weinte und mich am Wein verschluckte. Doch als er meine Cousine betrog und sie mit dem Gefühl, dass ihr Leben in Scherben lag und sich nie wieder kitten ließe, in Tränen aufgelöst vor meiner Tür stand, war ich so wütend auf ihn, dass ich fast zwei Jahre lang kein Wort mehr mit ihm sprach.
    Das hatte etwas Ironisches. Denn kurz darauf lernte ich Michael kennen.
    Wie gut ich mich noch daran erinnere! Anna, ein wenig atemlos, erhitzt und verlegen. »Julia, komm doch auf einen Drink vorbei. Ich möchte dir jemanden vorstellen. Meinen Verlobten.«
    Tja, das hatte sie wirklich gut verborgen. Ich war erstaunt und gekränkt von ihrer Heimlichtuerei und der plötzlichen Entwicklung. An der Uni hatte sie nicht einmal einen Freund gehabt. Während wir anderen unsere neu gewonnene Freiheit in vollen Zügen genossen, schrieb Anna Essays, recherchierte und korrigierte. Und während ich unbekümmert verschiedene Sexpraktiken ausprobierte, blieb Anna konzentriert und enthaltsam.
Sie nahm das Leben sehr viel ernster als wir. Nach der Uni steckte sie alle Energie in ihre Karriere. Sie hätte einen Plan, erklärte sie, und er schien tatsächlich aufzugehen. »Heiraten werde ich mit dreißig«, hatte sie mir einmal erzählt, »wenn mein Job bei der Zeitschrift gesichert ist und ich mir die Zeit nehmen kann, Kinder zu bekommen.« Damals hatte ich die Nase gerümpft und sie an John Lennons Ausspruch erinnert, dass das Leben das ist, was passiert, während man eifrig dabei ist, andere Pläne zu machen. Und jetzt saß sie da, mit einunddreißig Jahren, und gab ihre Verlobung bekannt, den nächsten Schritt in ihrem Lebensplan.
    »Bist du etwa schwanger?«, zog ich sie auf.
    Sie war empört, wurde jedoch ziemlich rot. »Natürlich nicht«, antwortete sie.
    Ich fragte mich, ob sie überhaupt mit ihm geschlafen hatte.
    Irgendein Problem musste es geben, denn so etwas wie Vollkommenheit gibt es nicht, weder im Leben noch in der Kunst oder sonst wo. Vollkommenheit führt das Schicksal in Versuchung. Ich erinnere mich, irgendwo gelesen zu haben, dass die alten japanischen Töpfer jedes Teil, das sie herstellten, mit einem kleinen Schnitzer versahen, aus Angst, sonst die Götter zu erzürnen. Anna musste sich den Zorn eines Poltergeists im Pantheon zugezogen haben, der sie für ihren Hochmut bestrafte, indem er ihr Michael schickte. Und mich als Freundin.
    Zu unser aller Unglück funkte es zwischen Michael und mir auf der Stelle. Und als seine Hand an diesem ersten Abend in einer überfüllten kleinen Bar in Covent Garden absichtlich meinen Hintern streifte, hatte das eine verheerende Wirkung. Drei Wochen später, nach unzähligen bedeutungsvollen Blicken und flüchtigen Berührungen landeten wir im Bett.
    »Das kann ich Anna nicht erzählen«, erklärte er mir an diesem Nachmittag, als wäre es eine ausgemachte Sache, und ich verpasste meine erste und beste Gelegenheit, das sich anbahnende Chaos zu verhindern. Ich lag, vom Sex und von Schuldgefühlen
übermannt, neben ihm und nickte. Danach wurde es mit jedem Mal unvorstellbarer, dass wir unseren Betrug beichteten.
    Auf der Hochzeit war ich Brautjungfer.
    Als wir an einem der gestohlenen Mittwochnachmittage, an denen Michael nicht arbeitete, in seiner Wohnung in Soho nebeneinanderlagen, die Sommersonne durch die geschlossenen Jalousien drang und unsere Körper in Streifen von Licht und Schatten auflöste, sagte er: »Anna ist, was Sex angeht, eher reserviert, weißt du. Ich habe immer das Gefühl, dass ich mich ihr aufdränge.« Damals empfand ich Triumph, doch mein

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