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Die Zeit der hundert Königreiche

Die Zeit der hundert Königreiche

Titel: Die Zeit der hundert Königreiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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konnte er tun? Sie hatte es hinreichend klargemacht, daß sie seinen Schutz nicht brauchte.
    Trotzdem sah er sie besorgt an, und die Furcht wuchs in ihm. Sie durchpulste ihn wie ein lebendes Wesen, wurde zu nacktem, unvernünftigem Entsetzen. Er sah, wie ihr bei lebendigem Leib das Fleisch von den Knochen geschnitten wurde, sah sie in Ketten weggezerrt, sah Trockenstädter-Räuber um ihren verstümmelten Körper streiten, sah seinen Pflegebruder Beltran fallen … Er hörte sich vor Entsetzen stöhnen. Einer der Männer im Glied schrie mit hoher, panikerfüllter Stimme:
    »O nein – seht, da fliegt er, der Dämon …«
    Bard warf den Kopf zurück und sah Dunkelheit über ihnen schweben, eine Dunkelheit mit gräßlichen Klauen, und sie fuhr auf sie nieder, nieder. Er hörte Mirella aufschreien … Flammen ergossen sich über sie, und er wich zurück, spürte den versengenden Atem des Feuers.
    Plötzlich wurde er sich der Realität bewußt. Nichts roch verbrannt oder verkohlt.
    »Bleibt im Glied, Männer!« rief er. »Es ist eine Illusion, ein Schauspiel, um Kinder zu ängstigen … nicht schlimmer als ein Feuerwerk beim Mittsommerfest! Haha, ist das das Beste, was sie fertigbringen? Wenn sie könnten, würden sie einen ganzen Wald in Brand stecken, aber das da kann niemanden verletzen, niemand wird im Schnee verbrennen – vorwärts!« Er wußte, Aktion war das beste Mittel, die Illusion abzuschütteln. »Angriff! Den Berg hinunter, Männer!« Er bohrte seiner Stute die Fersen in die Weichen. Sie fiel in Galopp. Oben auf dem Hügel angelangt, konnte er die Wagen endlich sehen. Es waren vier, und seine Männer stürmten den Abhang hinunter, schnitten die Packtiere los und schlugen mit ihren langen Peitschen auf sie ein. Die Tiere brüllten und setzten sich in schwerfälligen Galopp, und einer der Karren schwankte und fiel krachend um. Bard stieß einen Kriegsruf aus und ritt weiter. Ein Trockenstädter, ein großer, blasser Mann mit lose fliegendem blondem Haar, zielte mit einem langen Speer nach Bards Pferd. Bard bückte sich und erstach ihn. Aus dem Augenwinkel sah er, daß Beltran einen der Trockenstädter niederritt. Der Mann fiel, wälzte sich auf dem Boden und schrie unter den Pferdehufen. Dann verlor Bard seinen Pflegebruder aus den Augen, da ihn drei der Söldner auf einmal angriffen.
    Später konnte er sich an keine Einzelheit der Schlacht mehr erinnern, nur an Lärm, an Blutlachen auf dem Schnee, erstickende Kälte und an den immerfort weiter fallenden Schnee. Irgendwann stolperte sein Pferd, und er sprang aus dem Sattel und kämpfte zu Fuß weiter. Er hatte keine Vorstellung davon, mit wie vielen er kämpfte oder ob er sie tötete oder nur zurückschlug. Einmal sah er Beltran im Gefecht mit zwei riesigen Söldnern. Bard rannte durch den Schnee, fühlte die Nässe in seine Stiefel eindringen, zog seinen Dolch und erstach den einen der Männer. Dann riß das Kampfgetümmel ihn und Beltran wieder auseinander. Er stand auf dem ersten der Wagen und rief seinen Männern zu, sich bei den Wagen zu sammeln und sie zu halten. Rings um ihn tobte der Schlachtenlärm. Schwerter und Dolche klirrten, verwundete Männer und sterbende Pferde schrien.
    Und dann war alles still, und Bard sah seine Männer sich durch den Schnee auf die Wagen zuarbeiten und sich rings um sie versammeln. Mit Erleichterung stellte er fest, daß Beltran, wenn sein Gesicht unter dem Helm auch blutete, noch auf den Füßen war. Er sandte einen Mann ab, ihre Toten und Verwundeten zu zählen, und ging mit Meister Gareth, die Wagen zu inspizieren. Wenn jetzt die Fässer Trockenobst für die Proviantmeister der Armee statt des erwarteten Haftfeuer s enthielten, würde er sich wie ein verdammter Idiot vorkommen!
    Er kletterte auf einen der Wagen, öffnete vorsichtig ein Faß und schnüffelte. Ein beißend scharfer Geruch stieg ihm in die Nase. Er nickte grimmig. Ja, das war Haftfeuer , das bösartige Zeug, das, einmal angezündet, alles verbrannte, was es berührte, sich durch Kleider und Fleisch und Knochen fraß … In der Natur kam es normalerweise nicht vor; es wurde durch Zauberei hergestellt. Wahrscheinlich hatten die Trockenstädter geglaubt, im Schnee werde es sich nicht entzünden. Da hatten er und seine Männer Glück gehabt. Oder vielleicht war ihnen gar nicht gesagt worden, was sie bewachten. Manchmal wurden in Haftfeuer getauchte Pfeile dazu benutzt, Pferde unter den Reitern zu treffen. Das war eine grausame und unsoldatische Methode, denn

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