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Die Zeit des Boesen

Die Zeit des Boesen

Titel: Die Zeit des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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    »Verstehst du nun, weshalb ich dich mit mir genommen habe?« fragte Wenzel, so laut, daß auch die anderen es hören konnten.
    Justus nickte lahm.
    »Du sollst bereit sein, wenn dereinst du selbst meine Stelle einnimmst«, ergänzte Wenzel.
    Dann befand er, daß es für dieses Mal genug war, Justus der Versuchung auszusetzen. Er hob die Hand, und der Henker auf dem Podest nickte zum Zeichen dafür, daß er verstanden hatte. Er packte die halbnackte Frau, die an Händen und Füßen gefesselt war, und zerrte sie zu einem groben Holzklotz. Dort zwang er sie, den Kopf hinaufzulegen.
    Wie apathisch ließ sie bis dahin alles mit sich geschehen. Doch dann wandte sie noch einmal den Blick hinab zu den wenigen Zuschauern. Jeden einzelnen sah sie an, auf Matthäus Wenzel ließ den Blick schließlich verweilen.
    »Verflucht seist du«, sagte sie, weder keifend noch zischend, sondern ruhig, fast gelassen, »und alle jene möge dieser Fluch treffen, die um dich sind .«
    Wenzel unterbrach sie mit ruhigem Lächeln: »Hätten sich alle Flüche, die schon gegen mich ausgesprochen wurden, erfüllt, so wäre ich entweder längst nicht mehr am Leben oder schon vor langer Zeit zu einer siebenbeinigen Kröte geworden.« Nach einer knappen Pause hob er die Stimme und rief: »Möge der Herr sich ihrer Seele erbarmen - so sie noch eine hat .« Und dann: »Henker, walte deines Amtes!«
    Justus sah, wie der Mann mit der Kapuze die gewaltige Axt hob. Schwarz wie ein Scherenschnitt zeichnete sich das grausige Szenario gegen den blutigen Himmel ab. Unwillkürlich schloß der Junge die Augen.
    Aber er sah trotzdem.
    Er hörte den schneidenden Luftzug, mit dem das Beil niederfuhr; das feuchte Knirschen, mit dem die Schneide Knochen, Fleisch und Sehnen durchtrennte, und schließlich den dumpfen Hieb, mit dem sie tief in das Holz fuhr.
    Etwas polterte, dann spürte Justus eine Berührung an den Füßen.
    Er riß die Lider auf. Und sah ein letztes Mal in ihre Augen.
    Der abgeschlagene Kopf war in einer Spur schwarzen Blutes vom Podium herabgerollt, und eine böswillige Macht hatte ihn bis zu Justus hin getrieben. Doch der Ausdruck in ihren Augen schien ihm weder anklagend noch von Schmerz erfüllt. Sondern wie - abschiednehmend .
    Und es dauerte eine schier unnatürlich lange Weile, bis der Glanz darin erlosch - und ein anderer Glanz erwachte. Ein schauriges, der Hölle entliehenes Licht brach aus den Schründen des zerfallenden Körpers, aus dem das Übernatürliche ebenso wich wie das Natürliche. Schön wurde häßlich. Jung wurde alt. Uralt ... und schließlich Staub. Kalte Asche.
    Justus wußte nicht, wie lange er auf das, was übrigblieb, hinabgestarrt hatte, bis ihn die Hand seines Mentors an der Schulter faßte und endlich mit sanftem Druck fortschob.
    *
    Ende April, vor den Toren Prags
    Jiri, der Hirte, erwachte wegen einer großen Unruhe in seiner Herde.
    Es war zur Mitte der Nacht, und die Sterne am Himmel funkelten, als wären sie auf glatten schwarzen Samt hingestreute Juwelen - eines prächtiger als das andere.
    Das Blöken der Schafe veranlaßte Jiri, sich aus seinen Felldecken zu schälen und aufzustehen. Der schmächtige Mann mit der schiefen Nase besaß ein untrügliches Gespür für die Stimmung innerhalb einer Herde.
    Sein nächster Gedanke galt Flav, der für einen Hütehund manchmal noch etwas zu ungestüm war. Daß er aber gar nicht hörbar reagierte, war völlig ungewohnt .
    Nach einer Weile hatten sich Jiris Augen an die sternenhelle Nacht gewöhnt. Seine Blicke fanden die im Finstern wie Schatten treibenden Schafe, die ihre Schreie inzwischen wie einen gespenstischen Kanon über die weite Ebene vor den Toren der Stadt wehen ließen.
    Die Herde gebärdete sich immer toller - als hätte sich ein verkappter Wolf unter sie gemischt und spähe nun seine Beute aus!
    Jiri klaubte den langen, von seinem Vater geerbten Hirtenstock, der sich durchaus als ernstzunehmende Waffe einsetzen ließ, vom Boden auf und umklammerte ihn mit seinen knochigen Händen. Noch einige Male rief er nach Flav, wobei er Mühe hatte, das allmählich von Panik gefärbte Geblöke zu übertönen - aber der Hund antwortete kein einziges Mal.
    Jiri prüfte noch den Sitz des Messers in der Gürtelscheide, dann mischte er sich unter die im steten Fluß befindlichen pelzigen Leiber. Er stieß gegen sie und wurde von den blind umherirrenden Tieren hin und her gestoßen, manchmal förmlich gerammt.
    Angst kam nicht in ihm auf. Es war wichtig, die Übersicht zu

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