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Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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David Silberstein? Wohin verirrte sich die Welt?
    »Es wäre angebracht, Sir Edwin, wenn das Team sich in den nächsten drei Tagen zum physischen Training bereithielt …« Er redete fort, dachte nicht mehr an Arsch, redete nur. Schließlich war es wichtig, was er hier sagte. »Sagen Sie Ihren Schülern, sie sollen sich nicht so sehr in ihre Studien vertiefen, daß sie die Alarmglocke überhören.«
    Der Ausbildungsleiter blickte ihn lächelnd an. In einer früheren Epoche hätte das blitzende Monokel gut zu diesem Lächeln gepaßt. Vielleicht würde er nie die Freundschaft des Büttels gewinnen, aber dafür konnte er seine eigenen Schlüsse ziehen.
    »Ein schöner Anblick«, sagte er, »das Team bei der Freiübung auf dem Dorfrasen. Besonders beeindruckend für Leute, die für den Reiz der Physis sehr empfänglich sind und dem Intellekt instinktiv mißtrauen. Ich hoffe, das Wetter bleibt schon … für ihn.«
    Die Crew-Mitglieder waren ebenfalls auf Silberstein aufmerksam geworden. Jetzt bemerkten sie – ohne ihn unhöflich oder aufdringlich anzusehen –, daß er sich wieder zurückziehen wollte. Sie umdrängten ihn, erkundigten sich nach seiner Gesundheit, gaben ihm das Gefühl, daß er bei ihnen willkommen war. Ein schwacher Duft von Kölnisch Wasser stieg von ihnen auf.
    »Haben Sie gehört, daß Isaac gestern zum erstenmal den Weitsprung gewann?«
    »Sie hätten ihn erleben müssen. Bisher war er immer der Schlechteste in dieser Disziplin. Und der Psychiater meint, er hätte dabei nicht einmal seinen Proportions-Quotienten durcheinandergebracht.«
    »Wir denken oft an Sie, Mr. Silberstein. Es muß doch schlimm für Sie sein, immer allein im Büro zu sitzen und Verantwortung zu tragen. Sie sollten öfters ausspannen, sich mehr Freude gönnen. Es wird schon alles gutgehen …«
    Und Isaac stand schweigend daneben und kringelte die Zehen, als hätte er wirklich einen Grund sich zu schämen. Sie besaßen so viel Schönheit, so viel Enthusiasmus, so viel Intelligenz und Zuversicht. Welchen Anspruch hatten sie auf diese Dinge?
    David Silberstein verabschiedete sich so rasch, wie es ihm die Höflichkeit erlaubte. Nicht seine Körperlichkeit wurde von ihnen beschämt – es war sein Geist, der sich unterlegen fühlte. Er konnte ihre Hoffnungen nicht verstehen. Sie waren groß, begierig, unverdorben, während seine Hoffnungen lahm und schwankend waren. Diese jungen Leute waren keine Toren. Auch er war das nicht. Doch diese Jungen bildeten den Kontrast zu seiner Haltung, deuteten auf die Ambivalenz seiner Stellung im Dorf hin und auf die Widersprüche in seinem Denken.
    Auf dem Weg zum Laboratorium – der letzten Station seiner Tour – kam er an Roses Varco vorbei, der auf der Dorfmole saß und fischte. David blieb stehen und sah Roses beim Angeln zu. Roses trug eines der abgelegten Hemden des Vorarbeiters, die alte Hose des aufsichtführenden Ingenieurs und die Gummigaloschen des verantwortlichen Architekten, aus denen seine großen Zehen bereits herauslugten. Er hatte eine lange Weidengerte und warf den Haken weit hinaus in das stille Wasser. Der Schwimmkorken warf ein paar Wellen-Diagramme auf das Wasser und blieb dann bewegungslos liegen. Roses hatte auch keine Veranlassung, sich einem Betätigungsdrang hinzugeben. Obwohl er höchstens seit zehn Minuten auf der Mole sitzen konnte, sah er so aus, als habe er sich seit dem Bau der Mole hier nicht mehr vom Fleck gerührt.
    Etwa zehn Zoll unter der Wasseroberfläche ertrank ein Wurm langsam an einem Haken, während ab und zu ein Fisch neugierig herankam, um die Zuckungen des verendenden Wurms zu beobachten. Es war möglich – wenn auch nicht sehr wahrscheinlich –, daß einer dieser Fische den Wurm fraß und dann auf Roses Frühstückstisch endete … David Silberstein verharrte im Schatten des Labors und sah fasziniert zu. Das Ganze war paleolithisch, unglaublich, fast nicht zu begreifen, daß das Bild echt war und keine soziologische Rekonstruktion (Haken, Leine, Rute, Kleider, selbst Roses’ unergründliches Gesicht). Roses hätte innerhalb einer halben Stunde den ganzen Bach leerfischen können, wenn er ins Lager gegangen und sich das notwendige Gerät hätte ausliefern lassen: Sonarnetze, Schwingungsfelderzeuger, Blitzblinker. Statt dessen zog er es vor, hier auf dem Kai in der frühen Morgensonne zu sitzen und einem roten Korken zuzusehen, der von der Strömung langsam abgetrieben wurde, bis der Wurm auf einer Sandbank landete und vor lauter Aufregung

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