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Die Zeit-Moleküle

Die Zeit-Moleküle

Titel: Die Zeit-Moleküle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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Roses auf die Füße. Das Dorf hatte zwischen sie ein Messer des Standesunterschiedes geworfen. Sie fühlte sich wieder unsicher.
    »Auch Sie, Sir Edwin, sind ziemlich weit vom Mannschaftsraum oder der Salonbar entfernt.«
    Er nahm ihre Grobheit mit einem milden Lächeln hin. »Sie sind nicht nur verwirrend, sondern auch mit einer scharfen Zunge begabt«, sagte er. »Sehen Sie wirklich nur einen Mann in mir, der von Bar zu Bar torkelt?«
    Natürlich sah sie ihn nicht so. Er war vielleicht ein Geck, aber beileibe kein Dummkopf. Doch sie konnte ihr Wort nicht ganz zurücknehmen.
    »Gehört das Trinken nicht zu den Methoden der klassischen Diplomatie?« sagte sie.
    Er zuckte nur die Achseln, nahm schweigend ihre Entschuldigung an. Das war schon eine eigenartige Konversation zwischen den gekappten, staubgepuderten Bäumen und dem schweigenden Zaun.
    »Unten im Dorf ist eine fremde Dame«, sagte Sir Edwin, wollte damit vielleicht andeuten, daß er vor dieser Person hier herauf in den Wald geflüchtet war. »Sie will uns wohl Knüppel zwischen die Beine werfen. Wundere mich, daß der Projektleiter sie ins Dorf gelassen hat.«
    »Wieso Knüppel?«
    »Sie ist in einer schwierigen Lage, diese Dame. Intelligent genug, um die miserable Verfassung unserer Gesellschaft richtig einzuschätzen, doch dumm genug, ein paar Sündenböcke für diesen Zustand zu suchen. Ich traue ihr nicht über den Weg.«
    Roses wußte, von wem sie sprachen. Vor Sir Edwin hatte er keine Scheu. Sie hatten oft miteinander gesprochen, als er am Kai fischte.
    »Mistvieh« sagte er und hieb die Kappe seines Schuhs in den Waldboden.
    »Leider verfügt sie über viel Macht. Wir müssen in Zukunft noch vorsichtiger sein.«
    Doch der Zaun war ja neben ihnen mit Strom geladen, um solche Leute wie Mrs. Lampton vom Dorf fernzuhalten. Plötzlich fühlte sich Liza wohl in seinem Schatten. Der Zaun war zu ihrem Schutz errichtet worden. Auch die Sensoren und andere Dinge, die man ihr allerdings verschwieg. »Wir sind immer vorsichtig«, sagte Liza dann, »ich glaube nicht, daß wir von der Dame viel zu befürchten haben.«
    Sir Edwin blickte ihr fast eine halbe Minute lang ins Gesicht. Das Schweigen ist auch eine Art, einem Widersprechenden sein Mißfallen zu zeigen.
    »Nun«, sagte er schließlich, »ich verderbe Ihnen Ihre Flucht zurück zur Natur. Wiedersehen, ihr beiden. Und viel Glück bei der Beobachtung der Kaninchen!«
    Wenn sich ein Mann und eine Frau auf einer versteckten Lichtung trafen, wertete er das nicht mit einer Anspielung oder einem spöttischen Unterton aus. Er war ein Mann, der sich von Berufs wegen jeder Lage anpassen mußte, und er hatte sich auch den neuen Freiheiten angepaßt, bis sie zu seinem Wesen gehörten. Darin unterschied er sich vom Professor. Und von David Silberstein. Er nickte Roses und Liza kurz zu und ging weiter. Vielleicht sah er – wie Liza – im Zaun die Garantie seiner Sicherheit. Vielleicht auch die Stäbe eines Käfigs.
    Der Pfad schlängelte sich an den Bäumen entlang. Bald war Sir Edwin außer Sicht. Liza war er so gleichgültig wie Mrs. Lampton.
    »Wir haben genug von den Kaninchen gesehen«, sagte sie. »Wenn du nichts Besseres mehr vorhast, gehe ich jetzt zurück ins Labor.«
    Roses spürte ihre Gereiztheit. Es gab keinen vernünftigen Grund dafür. In Zukunft wollte er sich lieber an seine Schwäne halten.
     
    Am Kai hatte sich David Silberstein inzwischen von seiner Besucherin verabschiedet. Sie hatte es so eilig, das Dorf zu verlassen, daß David Schwierigkeiten voraussah.
    Es war bereits Feierabend. Ein paar Leute vom Dorf schwammen im tiefen Wasser vor dem Kai. Sie kreischten, tauchten und planschten um die Wette. Trotz der Hitze spürte Silberstein kein Verlangen, sich dem Badevergnügen anzuschließen. Er liebte das Wasser auf eine sanfte Art – das Spiel der Wellen, das Plätschern unter dem Kiel, das Rinnen der Tropfen über die Hand. Doch der Konfrontation mit dem nassen Element ging er aus dem Weg – das Knacken in der Ohrmuschel und die kühle, totale Nässe, der man sich beim Schwimmen aussetzen mußte, behagten ihm nicht.
    Und das Paddeln, das ihm vielleicht Spaß gemacht hätte, vertrug sich nicht mit seiner Stellung. Deshalb setzte er sich auf eine Bank und genoß die Badefreuden nur akustisch.
    Nach einigen Minuten stieg Daniel aus dem Wasser, ließ dunkle, nasse Spuren auf den gebleichten Kieselsteinen zurück. David mochte Daniel nicht. Die ausrasierten Schamhaare und die Tätowierungen waren ihm

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