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Die Zeitfalte

Die Zeitfalte

Titel: Die Zeitfalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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spukt. Dort wohnen sie.«
    »Sie?«
    »Frau Wasdenn und ihre beiden Freundinnen. Ich war vor ein paar Tagen zufällig mit Fortinbras dort. Du und die Zwillinge, ihr seid gerade in der Schule gewesen. Fort und ich, wir streifen oft durch den Wald; das gefällt uns. Plötzlich jagt er einem Eichhörnchen nach; ich laufe hinter ihm her – und schon landen wir bei dem Spukhaus. Es war wirklich der reinste Zufall.«
    »Aber die Hütte hat doch immer leergestanden!« wandte Meg ein.
    »Mag sein. Jedenfalls wohnt dort jetzt Frau Wasdenn mit ihren Freundinnen. Die sind auch recht nett.«
    »Warum hast du mir nicht schon früher davon erzählt?« schalt Frau Murry. »Du weißt doch, daß du nicht so weit fortgehen sollst, ohne mich vorher zu fragen.«
    »Weiß ich«, gab Charles zu. »Eben deshalb habe ich dir ja nichts gesagt. Ich bin einfach hinter Fortinbras hergelaufen, ohne mir was Besonderes dabei zu denken. Und hinterher habe ich mir gedacht: Davon redest du erst, wenn sich die Notwendigkeit ergibt.«
    Ein harter Windstoß packte das Haus und ließ es beben, – jetzt peitschte auch Regen gegen die Scheiben.
    »Der Sturm gefällt mir gar nicht!« sagte Meg beunruhigt.
    »Bestimmt fallen wieder ein paar Ziegel vom Dach«, räumte Frau Murry ein. »Aber das Haus steht seit zweihundert Jahren, Meg, und hat schon schlimmere Stürme überlebt.«
    »Aber so einen Orkan?« jammerte Meg. »Im Radio haben sie gesagt, das ist ein richtiger Orkan.«
    »Es ist Oktober«, sagte Frau Murry. »Da stürmt es eben.«
    Als Charles Wallace Meg ihr Sandwich gab, kam Fortinbras plötzlich unter dem Tisch hervor und ließ ein langgezogenes, drohendes Knurren hören. Das dunkle Fell auf seinem Rücken sträubte sich.
    Meg spürte, wie ihre Haut zu prickeln begann. »Was hat er denn?« flüsterte sie ängstlich.
    Fortinbras starrte zur Tür, die aus der Küche in Mutters Labor führte. Dort war einmal die Milchkammer gewesen, und durch die angrenzende Speisekammer konnte man ebenfalls ins Freie kommen. Mutter mochte es allerdings nicht, daß die Familie durch das Labor ins Haus ging, statt die Garage oder den Vordereingang zu benützen.
    Fortinbras knurrte immer noch die Labortür an.
    »Du hast nicht zufällig eine deiner stinkenden chemischen Verbindungen über dem Bunsenbrenner brodeln lassen, Mutter?« fragte Charles Wallace.
    »Bestimmt nicht.« Frau Murry stand auf. »Aber ich werde doch lieber nachsehen, was Fortinbras so aus der Fassung bringt.«
    »Es ist der Landstreicher!« rief Meg nervös. »Bestimmt ist es der Landstreicher!«
    »Welcher Landstreicher?« wollte Charles Wallace wissen.
    »Ich habe heute nachmittag auf dem Postamt gehört, daß sich ein Landstreicher in der Gegend herumtreibt. Er hat Frau Buncombe alle Bettücher gestohlen.«
    »Dann sollten wir aber auf unsere Kissenbezüge achten!« scherzte Frau Murry. »Die fehlen ihm noch. – Meg, in einer solchen Nacht wagt sich nicht einmal ein Landstreicher auf die Straße.«
    »Siehst du!« jammerte Meg. »Gerade deshalb wird er es ja sein! Er sucht einen Unterschlupf, damit er nicht auf der Straße bleiben muß.«
    »Wenn das so ist, kann er in der Scheune übernachten!« Frau Murry wandte sich zur Tür.
    »Ich komme mit!« Megs Stimme klang schrill.
    »Nein, Meg. Du bleibst bei Charles und ißt deinen Sandwich.«
    »Essen!« empörte sich Meg, als Frau Murry im Labor verschwunden war. »Wie sollte ich jetzt ans Essen denken!«
    »Mutter kann ganz gut auf sich selbst aufpassen!« beruhigte sie Charles. »Sie ist sehr stark!« Und doch stieß auch er immer wieder nervös mit den Füßen gegen die Stuhllehne – und im Gegensatz zu den meisten anderen Kindern konnte Charles Wallace im allgemeinen sehr wohl stillsitzen.
    Nach wenigen Augenblicken, die Meg wie eine Ewigkeit schienen, kam Frau Murry zurück. Sie hielt jemandem die Tür auf. Wem – dem Landstreicher? Die Gestalt, die da hereinkam, schien Meg eher klein geraten. Wie alt der Besucher war und ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte, ließ sich nicht erkennen, denn er – oder sie – war von Kopf bis Fuß in seltsame Gewänder gehüllt. Das Gesicht verbarg sich hinter mehreren Tüchern in den unterschiedlichsten Farben, und obenauf thronte ein unförmiger Filzhut. Über dem Mantel trug die Gestalt eine Stola in leuchtendem Rosa; sie reichte bis zu den hohen schwarzen Gummistiefeln.
    »Frau Wasdenn!?« rief Charles argwöhnisch. »Was machen denn Sie hier? Noch dazu mitten in der Nacht?«
    »Aber mein

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