Wölfe der ewigen Nacht (German Edition)
Prolog
Wo ist der Wind? Ihr war so, als wäre sie gerade eben noch gerannt. Ihre Haare, nein, ihr Fell hatte sich im eisigen Wind hin und her bewegt. Und sie hatte den Schnee und das Eis unter ihren Pfoten gespürt. Pfoten? Ein leichtes Kribbeln wanderte ihre Füße und ihre Hände empor.
Wovor floh sie eigentlich? Oder war es keine Flucht, sondern eine Jagd?
Das Bild eines weißen Hasen huschte durch ihren Kopf. Seltsam . Sie spürte einen harten Aufprall und geriet dann irgendwie in Bewegung. War sie gestürzt? Auf einmal breitete sich ein brennender Schmerz rasend schnell in ihrem Körper aus. Zuerst explodierte er in ihrer Schulter, dann in ihrem Kopf und schließlich überall.
Die Bewegung, die den Schmerz begleitete, hörte auf einmal genau so abrupt auf, wie sie begonnen hatte. Die unglaubliche Hitze, die sie eben durch das Laufen noch zu spüren glaubte, wich eisiger Kälte und noch größerem Schmerz. Sie fühlte, wie ihre Glieder langsam steif wurden.
Panik erfasste sie. Sie wollte um Hilfe schreien, oder zumindest die Augen öffnen, aber es gelang ihr nicht. Dann hörte sie in der Nähe ein Flattern. Ein Vogel? Und augenblicklich wurde ihr wieder wärmer. Es war keine innere Wärme, die sie in den letzten Tagen gespürt hatte, sondern eine äußere. Jemand deckte sie zu. Aber wer? Und warum? Hatte sie plötzlich kein Fell mehr, dass sie wärmte? Und was war aus dem Hasen geworden?
Scharfer Schmerz durchfuhr sie wie eine Messerklinge, als sie von jemandem hochgehoben wurde. Warum tat man ihr weh? Hatte sie etwas Falsches getan? War sie deswegen gerannt? War sie doch auf der Flucht gewesen?
Angst und Neugier bündelten sich in ihrem Leib und das freigesetzte Adrenalin brachte ihr einen Funken Energie zurück. Sie konnte gerade noch genug Kraft aufbringen, um ihre Augen zu öffnen, und blickte in das Gesicht eines Mannes.
Er sah besorgt aus. Bedeutete das, dass sie in Sicherheit war? Wer er wohl ist? Er war recht gut aussehend. Dunkle Haare, graue Augen. Hm . Irgendetwas wollte sich den Weg in ihren Verstand bahnen, aber ein heftiger Kopfschmerz vereitelte dies.
Ihre Lider waren viel zu schwer um sie noch länger offen zu halten und sie schloss diese wieder. Wenn sie bis jetzt noch lebte, würde dieser Mann sie auch weiterhin am Leben lassen. Da war sie sich sicher.
Das Adrenalin, das ihren Kreislauf noch einmal aufgepuscht hatte, ließ nach und ihr Verstand verabschiedete sich in einem dicken, weißen Nebel und einer wunderbaren Wärme.
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1. Kapitel
Als sie das nächste Mal zu sich kam, drang ein aufgeregtes Murmeln zu ihr durch und sie spürte zarte Hände auf ihrem nackten Körper. In ihrem Gesicht und ihrem Haar. Überall.
»Robert! Das arme Ding ist ja halb erfroren und schmutzig!« Robert . War das der hübsche Mann? Ihr Retter? Die Frau nahm die wohlige Wärme und zog scharf Luft ein. Sie hätte das auch gern getan, aber sie hatte keine Kontrolle über ihren Körper. Nicht einmal einen Finger konnte sie rühren. Am liebsten hätte sie geschrien: Mir ist kalt! Gebt mir diese Wärme zurück!
»Sie ... Weißt du, wer das war?« Sie klang zornig. Es kam keine Antwort. Oder hatte sie schon wieder das Bewusstsein verloren? Nein . Dafür war ihr eindeutig zu kalt. Ihre Hände und ihre Füße brannten wie Feuer und kribbelten unangenehm. Das gleiche spürte sie an Ohren und Nase.
»Ich hasse Männer, die einer jungen Frau so etwas antun und sie dann halb tot einfach irgendwo liegen lassen!«
»Wenn sie es schafft zu überleben, werden wir wissen, wer es war.« Redeten die beiden von ihr? Was hatten Männer ihr angetan? Schmerzte deswegen ihr ganzer Körper? Ihr Kopf dröhnte außerdem, als wäre sie von einem Lastwagen überfahren worden.
Sie spürte, wie sie auf etwas Weiches gelegt wurde. War das ein Bett? Sofort wurde ihr wärmer und sie spürte ein leichtes Gewicht auf ihrem Körper. Eine Decke. Herrlich. Doch nun begann ihr ganzer Körper unangenehm zu kribbeln und auch die Schmerzen verstärkten sich. Sie hätte zu gern aufgestöhnt und jemanden gesagt, dass ihr alles weh tat.
»Der Arzt ist da!« Der Mann, Robert, kam wieder ins Zimmer. Die Wärme verschwand wieder, was bedeutete, dass man ihr die Decke wieder genommen hatte. Große, starke Hände begannen, zuerst ihren Kopf abzutasten.
»Sie hat eine Platzwunde an der Stirn und eine große Beule am Hinterkopf. Gib mir bitte den Verband.« Sie spürte, wie jemand die Wunde abtupfte und dann verband.
»Wie lange ist
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