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Die Zeitfalte

Die Zeitfalte

Titel: Die Zeitfalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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geradezu unheimlich, wie er erspüren konnte, was Mutter und Meg fühlten oder dachten.
    War das Gerede der Leute über Charles Wallace Murry etwa darauf zurückzuführen, daß sie sich insgeheim ein wenig vor ihm fürchteten? Verbreiteten sie deshalb das Gerücht, der Junge sei nicht ganz bei Verstand? »Gescheite Eltern haben oft dumme Kinder!« hatte Meg einmal aufgeschnappt. »Die beiden Jungen sind ja ganz nett und normal entwickelt – aber dieses reizlose Mädchen und der kleine Junge! Nein, mit denen dürfte etwas nicht stimmen!«
    Gut, es ließ sich nicht bestreiten, daß Charles Wallace in Gegenwart Fremder kaum den Mund aufbrachte. Daraus zogen manche Leute offenbar gleich den Schluß, er sei überhaupt stumm. Es war auch richtig, daß er erst vor einem Jahr zu sprechen begonnen hatte, als er schon beinahe vier war. Na und? Meg wurde immer ganz weiß vor Wut, wenn die Leute Charles Wallace mit scheelen Blicken anstarrten, die Köpfe zusammensteckten und Mitleid heuchelten.
    »Mach dir bloß keine Sorgen um Charles Wallace, Meg!« hatte Vater einmal zu ihr gesagt. Sie erinnerte sich ganz deutlich daran, denn es war kurz vor seiner Abreise gewesen. »Er ist schon richtig im Kopf. Er macht eben alles auf seine Weise und zu seiner Zeit.«
    »Ich will aber nicht, daß er eines Tages so dumm wird wie ich«, hatte Meg damals gesagt.
    »Aber, mein Schatz!« hatte ihr Vater erwidert. »Du bist doch auch nicht dumm! Du und Charles Wallace, ihr entwickelt euch nur zufälligerweise anders als die anderen, in eurer eigenen und ganz besonderen Art.«
    »Woher willst du das wissen?« hatte Meg ungläubig gefragt. »Wer sagt dir, daß ich nicht doch dumm bin? Daß du es bloß nicht wahrhaben willst, weil du mich eben lieb hast?«
    »Natürlich habe ich dich lieb; aber davon allein lasse ich mich nicht beeinflussen. Ist dir denn nicht aufgefallen, daß Mutter und ich dich oft getestet haben?«
    Doch, das stimmte. Meg hatte bemerkt, daß viele dieser angeblichen »Spiele« ihr Wissen und Können auf die Probe stellten – und daß die Eltern sich dabei für Charles Wallace und sie weitaus mehr Zeit nahmen als für die Zwillinge.
    »Meinst du diese Sachen mit dem – mit dem Intell … telli … ?«
    »Ja, wir haben auch euern Intelligenzquotienten getestet.«
    »Ist das der ›IQ‹; von dem du immer mit Mutter redest?«
    »Erraten, Meg.«
    »Und ist mein IQ gut?«
    »Mehr als das.«
    »Wie gut ist er denn?«
    »Das möchte ich dir nicht verraten. Aber er beweist mir eines: daß ihr beide, du und Charles Wallace, wenn ihr einmal erwachsen sein werdet und eure Persönlichkeit gefunden habt … nun, daß ihr dann in der Lage sein werdet, alles zu erreichen, was ihr wollt. Warte nur, bis Charles Wallace reden kann. Du wirst dich noch wundern!«
    Wie recht er gehabt hatte! Allerdings war Vater bereits fort, als Charles Wallace plötzlich zu sprechen begann, und zwar von Anfang an in ganzen Sätzen, ohne das übliche Kleinkindergefasel.
    »Wie wäre es, wenn du nach der Milch sehen würdest?« sagte Charles Wallace jetzt. Seine Art zu sprechen, war wirklich nicht typisch für einen Fünfjährigen. »Du magst es doch nicht, wenn sie eine Haut bekommt.«
    Meg guckte in den Topf. »Das reicht für zwei!«
    Charles Wallace nickte ernst. »Klar. Mutter wird sich doch auch bedienen wollen.«
    »Womit will ich mich bedienen?«
    Sie wandten sich um. Mutter stand im Türrahmen.
    »Kakao«, sagte Charles Wallace. »Du willst doch eine Tasse, oder? Wie war‘s dazu mit einem Sandwich? Leberwurst und Rahmkäse?«
    »Das klingt gut!« sagte Frau Murry. »Aber mach dir keine Mühe, ich kümmere mich schon selbst darum.«
    »Aber es macht doch fast keine Arbeit!« Charles Wallace glitt vom Stuhl und stapfte in seinen Pyjamafüßlingen zum Kühlschrank – wie ein Kätzchen auf Samtpfoten. »Und du, Meg?« fragte er. »Möchtest du auch ein Brot?«
    »Ja, gern!« sagte sie. »Aber ohne Wurst. Haben wir noch Tomaten?«
    Charles Wallace spähte ins Gemüsefach. »Eine ist noch da«, sagte er. »Darf Meg sie haben, Mutter?«
    »Natürlich.« Frau Murry lächelte. »Aber sei bitte nicht so laut, Charles. Außer du möchtest auch die Zwillinge hier unten haben.«
    »Bleiben wir lieber ›entre nous‹!« erklärte Charles. »Das ist heute mein neues Wort. Klingt doch besser als ›unter uns‹ – oder?«
    »Viel besser!« sagte Frau Murry. »Meg, laß mich noch einmal diese Schramme ansehen!«
    Meg hielt ihr den Kopf hin. In der Küche war es hell

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