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Die Zeitung - Ein Nachruf

Die Zeitung - Ein Nachruf

Titel: Die Zeitung - Ein Nachruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Fleischhacker
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im Wald. Ja, es ist wahr, dass im vergangenen Jahrzehnt nicht viele Zeitungen bankrott gegangen sind und den Betrieb einstellen mussten. Aber es ist auch wahr, dass Medienhäuser mit ihren gedruckten Tageszeitungen schon lange keinen Gewinn mehr machen. Und es zeigt sich, dass die gesammelten Auflagenverluste der Tageszeitungen im vergangenen Jahrzehnt das Äquivalent zur Einstellung mehrerer auflagenstarker Produkte bilden. Also: Ja, es sind noch (fast) alle Zeitungen da; aber (fast) keine kann mehr aus sich heraus leben – der Tageszeitungsmarkt wird von Untoten bevölkert.
    Deutschland: Auflage der Tageszeitungen
    (in Mio., Quelle: MW)

    Man kann dazu eine einfache Rechnung aufmachen: Die absolute Zahl der in Deutschland gedruckten Tageszeitungen nahm im vergangenen Jahrzehnt um 25 Prozent ab. Das kann zweierlei bedeuten: Entweder verlieren die Zeitungen ein Viertel ihrer Reichweite oder jede vierte Zeitung stellt den Betrieb ein. Nachdem sie, wie sie stolz behaupten, bis auf die
Financial Times Deutschland
alle noch da sind, bedeutet das einen durchschnittlichen Auflagenverlust von 25 Prozent.
    Deutschland: Anteil der Zeitungen am Gesamtwerbeaufwand
    (Quelle: Nielsen)

    Früher hätte das einem Zeitungsgeschäftsführer vermutlich keine großen Kopfschmerzen bereitet. In den Boomzeiten des Printmarktes kamen 70 Prozent der Erlöse aus dem Anzeigenmarkt und nur 30 Prozent aus dem Vertrieb des Produktes. 25 Prozent Rückgang bei der gedruckten Auflage hätte man ohne große Probleme als Straffung der Vertriebsstruktur verkaufen können.
    Mittlerweile, nicht zuletzt im Gefolge der Krise, sind die Anzeigenerlöse das Hauptproblem im Geschäftsmodell Tageszeitung. Die Anzeigenumsätze wandern konsequent aus den Tageszeitungen ins Netz. Begonnen hat es mit der Abwanderung der sogenannten „Rubrikenmärkte“ („classifieds“), inzwischen sind auch die Flächenanzeigen gefolgt. Dass Meldungen wie jene, dass die
New York Times
2012 erstmals mehr Vertriebs- als Anzeigenerlöse verzeichneten, als positive Nachrichten präsentiert werden, ist ein Zeugnis weitgehender Ahnungslosigkeit: Es bedeutet nur, dass die Anzeigenumsätze weiter erodieren. Und es gibt zurzeit keine Anzeichen dafür, dass sie durch neue Vertriebserlöse im Netz (etwa das „metered model“ der
NYT
) auch nur annähernd substituiert werden können. Im Herbst 2013 meldete die
NYT
, dass sie die Zahl ihrer Online-Abonnenten um 28 Prozent steigern konnte. Der Gesamtumsatz des Unternehmens stieg um zwei (!) Prozent.
    USA: Entwicklung der Anzeigenerlöse von Tageszeitungen

    Dabei gilt der deutschsprachige Raum noch immer als Insel der Seligen, was die Position der Zeitungen im Werbemarkt angeht. Die gängige Erklärung, dass eben in den USA die Dichte an Internetanschlüssen in den Haushalten sehr viel früher sehr viel größer gewesen sei, stimmt nur bedingt. Sowohl für die Auflagen- als auch für die Anzeigen-Situation ist vermutlich der Faktor TV entscheidender: Das erste große Zeitungssterben erfasste die USA mit dem Aufkommen des privaten Lokalfernsehens. In Deutschland gibt es erst seit 30 Jahren privates Fernsehen (SAT.1 startete im Januar 1984), regionales Privatfernsehen spielt im Vergleich zu den USA keine Rolle. In Österreich trat überhaupt erst 2001 das Privatfernsehgesetz in Kraft, de facto verfügt der öffentlich-rechtliche Sender ORF nach wie vor über ein Monopol, im Werbemarkt machen ihm eher die Satellitenfenster der deutschen Privatsender zu schaffen als das österreichische Angebot.
    Dass der Anteil der Zeitungen am deutschsprachigen Werbekuchen noch vergleichsweise groß ist, liegt also nicht daran, dass es im deutschsprachigen Raum weniger Internet gibt als in den USA, sondern daran, dass es weniger lokales TV gibt. In den USA haben sich die beiden Bedrohungen so kumuliert, dass die einschlägigen Kurven noch viel dramatischer aussehen als im deutschsprachigen Raum.
Kein Trost nirgends – das Riepl’sche Gesetz
    Angesichts der tristen Lage in der Praxis suchen nicht wenige den Trost in der Theorie: Kaum eine Diskussion über das Ende der gedruckten Tageszeitung, in der nicht emphatisch auf das Riepl’sche Gesetz hingewiesen würde. Es wurde 1913 von Wolfgang Riepl, dem Chefredakteur der größten Nürnberger Tageszeitung, aufgestellt und besagt in seiner medienwissenschaftlichen Adaption, dass kein neues, höher entwickeltes ein bestehendes Medium vollständig ersetzt. Riepls Erkenntnis ist Frucht seiner Dissertation

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