Die Zerbrochene Kette - 6
Gabriel trug. »Ein Zeichen für etwas, das auf immer mein Herz umschließt, auch wenn ich mich geweigert hätte, wie du dich weigerst, das äußere Symbol anzulegen.«
Jaelle sagte leise: »Der Amazonen-Eid verbietet mir, di catenas zu heiraten. Ich hätte nie gedacht, daß ich es mir wünschen würde.« Ihr Kopf sank auf Rohanas Knie, die schmalen Schultern zuckten vor heftigem Schluchzen. »Und ich will es auch nicht, Rohana! Ich will nicht!«
Rohana dachte: Und warum weinst du dann so? Aber sie sprach es nicht aus, denn sie spürte den Schmerz in Jaelles Herzen. Sie streichelte nur sacht das weiche Haar. Endlich fragte sie: »Bist du schwanger, Liebling?«
»Nein… nein. Das hat er mir erspart.«
»Und möchtest du wirklich, daß es dir erspart bleibt, mein Schatz?«
Jaelle war nicht fähig zu antworten. Da fragte Rohana sehr behutsam: »Willst du im Leid wie in der Freude mit ihm zusammenbleiben, Jaelle?«
Jaelle hob ihr gerötetes Gesicht. »Im Augenblick glaube ich, daß ich es täte«, stieß sie gequält hervor, »aber wie kann ich sicher sein? Wie kann ich wissen, ob er mich in schlechten Tagen, die zu jedem kommen, lieben wird? Wie kann ich auch nur wissen was ich dann tun werde? Und doch – es scheint mir sogar das wert zu sein. Hast du nie jemanden geliebt, Rohana? Hast du nie alles, alles aufgeben wollen, deinen Lebenskreis, deine Ehre alles, weil du die Trennung von… von…« Wieder ließ sie in verzweifeltem Weinen den Kopf auf Rohanas Knie sinken.
Rohana tat das Herz weh um sie. Auch hatten Jaelle s Worte eine lange geheilte Wunde aufgerissen. Ja, ich wollte einmal alles aufgeben, meine Kinder, das Leben, das ich mir selbst aufgebaut hatte, Gabriel – aber der Preis erschien mir zu hoch. Stockend antwortete sie: »Es gibt nichts in der Welt, was nicht für einen bestimmten Preis gekauft werden könnte. Kindra zum Beispiel hat ihren Eid nie bereut, aber bis zum Tag ihres Todes um die Kinder getrauert, die sie im Stich gelassen hatte. Das ist das einzige, was mir an dem Amazonen-Eid nicht gefällt: Ihr Frauen, die ihn leistet, schirmt euch vor den Gefahren ab, die alle anderen Frauen bereitwillig auf sich nehmen. Aber vielleicht muß sich jede Frau entscheiden, welchen Gefahren sie sich aussetzen will.«
Jaelle hörte ihr zu, und die Worte fielen ihr schwer aufs Herz. Ich war zu jung, als ich den Amazonen-Eid ablegte! Die meisten Frauen entsagen, wenn sie unglücklich sind, und wissen, auf was sie verzichten. Ich glaubte, daß ich mich nur von der Sklaverei lossagte und die Freiheit gewann. Ich habe nicht geweint, als ich den Eid sprach. Ich habe nie ganz verstanden, warum so viele Frauen den Eid unter Tränen leisten…
»Du liebst Piedro. Willst du bei ihm bleiben?«
»Ich… ich muß, ich kann ihn jetzt nicht verlassen.«
»Willst du ihm Kinder schenken, Liebling?«
»Wenn er… wenn er welche möchte.«
»Aber dein Eid bindet dich, Kinder nur dann zu gebären, wenn du sie möchtest«, mahnte Rohana. »Du mußt entscheiden, und vielleicht ist es das, was für mein Gefühl so verkehrt ist, daß ihr Frauen das Recht der Entscheidung für euch beansprucht.«
»Das kannst du mir nicht einreden!« flammte Jaelle auf. »Eine Frau, die sich nicht frei entscheiden kann, ist eine Sklavin.«
»Nur garantiert auch die Freiheit der Entscheidung nicht immer das Glück.« Von neuem ergriff Rohana die kalten Hände Jaelles und streichelte sie. »Ich habe alte Amazonen über ihre Kinderlosigkeit klagen hören, als es für sie zu spät war, ihre Meinung zu ändern. Und ich…« Sie schluckte, denn das hatte sie noch keinem Menschen gestanden, nicht Gabriel, nicht Melora, nicht Kindra, die so lange Zeit ihre geheimsten Gedanken geteilt hatte. »Ich wollte keine Kinder, Jaelle. Jedesmal, wenn ich merkte, daß ich schwanger war, weinte und tobte ich. Du weinst, weil du kein Kind erwartest, aber ich habe noch mehr geweint, wenn ich eins erwartete. Einmal warf ich mit einer Silberschüssel nach Gabriels Kopf und traf ihn auch, und ich kreischte ihn an, ich wollte, ich hätte ihn umgebracht und er könne mir das nicht wieder antun. Ich haßte es, schwanger zu sein, ich haßte es, kleine Kinder um mich zu haben, die mich störten, ich fürchtete mich vor dem Kindbett mehr, als du dich vor dem Schwert gefürchtet haben kannst, das dir diese Wunde schlug.« Mit leichten Fingern fuhr sie die immer noch rote Narbe auf Jaelles glatter Wange nach. »Wäre mir die Entscheidung überlassen geblieben, hätte ich nie ein Kind
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