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Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer

Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer

Titel: Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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vergangenen Jahren hatte er in dem Gasthof einige lohnende Geschäfte abgeschlossen. Wegen seiner Abneigung gegen Menschenansammlungen verkehrte er in solchen Häusern allerdings nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ.
    Aus einer offenen Nebentür drangen Küchendüfte, das Geklapper von Töpfen und ein trauriges Lied. Zu der vollen, wunderschönen Frauenstimme zwitscherte ein Vogel in erstaunlicher Harmonie.
    Taramis ließ Allon neben der Tür am Ende einer ganzen Reihe anderer Reittiere stehen: Rösser, Esel, Ippos und einen straußenähnlichen Laufvogel gab es da. Die Gasse neigte sich zur Mitte hin, wo eine Rinne im Boden verlief, durch die Wasser plätscherte. Sollte ein Pferd in Unkenntnis der barneanischen Reinlichkeitsvorschriften einen Apfel fallen lassen, so rollte dieser gewöhnlich von selbst in die Gosse und wurde diskret fortgespült. Weniger günstig geformte Exkremente ließen sich mit geringfügig größerem Aufwand entfernen. Weil Taramis nicht einmal einen Zügel besaß, mit dem er sein Tier hätte festbinden können, schärfte er ihm ein: Wenn dich einer anfasst, zeig ihm deine Hörner …
    Plötzlich traf ihn ein glitschiger Schwall Küchenabfälle. Speisereste, Eierschalen und Abwaschwasser rannen ihm die Beine herab.
    »Pfui!«
    Sogleich erstarb der Gesang aus der Küche und von drinnen erklang ein erschrockenes »O Gott!«. Taramis’ feines Gehör vernahm federleichte Schritte. Dann erschien eine große, schlanke Frau in der Tür, mit betroffener Miene und einem feuchten Lumpen in der Rechten. Auf ihrer Schulter saß ein kleiner bunter Vogel.
    Sie war etwa dreißig Jahre alt, hatte hellblaue Augen, hohe Wangenknochen, volle Lippen und die Rundungen genau dort, wo die Männer es mochten. Das lange, strohblonde Haar trug sie als Pferdeschwanz. Ihrer fleckigen Schürze, dem schmutzigen Gesicht sowie den noch schmutzigeren Händen und Armen nach zu urteilen handelte es sich um eine Magd. Obwohl sie also eher das Gegenteil von herausgeputzt war, entging Taramis keineswegs ihre kühle Schönheit, die das Bild einer zarten Eisblume in ihm heraufbeschwor.
    Er zog den Mund schief. »Ich weiß gar nicht, was ich mehr loben soll, Euren Gesang oder Eure Treffsicherheit.«
    Anmutig stieg sie über zwei Stufen in die Gasse hinab, dabei wippte ihr knöchellanger, hellbrauner Rock wie im Tanz hin und her. Sie ließ sich vor dem triefenden Mann auf ein Knie nieder und schickte sich an, seine Beine mit dem Lappen abzuwischen. Unbeabsichtigt – so vermutete er – gewährte sie ihm dadurch einen tiefen Blick in den Halsausschnitt ihrer flachsfarbenen Leinenbluse.
    Als Taramis ihrer Brüste ansichtig wurde, schreckte er zurück. Nicht, dass an ihrem wohlgeformten Busen etwas auszusetzen gewesen wäre, vielmehr verursachte ihm ihre jähe Nähe Herzklopfen. Er fühlte sich in der Gegenwart schöner Frauen ohnehin immer unsicher, weil ihn ihre weiblichen Reize so wenig kaltließen. Seine Liebe zu Shúria war ihm zu kostbar, um auch nur in Gedanken den Versuchungen einer anderen zu erliegen. Erschwerend kam seine Menschenscheu hinzu, deretwegen er jeder Berührung mit fremden Personen ohnehin aus dem Weg ging.
    »Verachtet Ihr mich so sehr, Herr?«, fragte die Magd. Sie klang verletzt.
    Er schüttelte den Kopf. »Vor Gao sind alle Menschen gleich. Diesen Grundsatz beherzige ich so gut es geht. Nur … ich würde mich gern lieber selbst reinigen.«
    »Bitte entschuldigt meine Ungeschicklichkeit, Herr. Ich hätte besser aufpassen sollen.«
    »Schwamm drüber.«
    »Tut’s auch der Lappen?« Sie warf ihm diesen zu.
    Taramis fing ihn auf, bückte sich und trocknete seine Beine gründlich ab. Besonders hingebungsvoll reinigte er die Sandalenriemen.
    »Ein prachtvolles Zweihorn habt Ihr da«, bemerkte die Magd irgendwann.
    »Allon und ich haben uns erst kürzlich gefunden.«
    »Wie Ihr Eure Worte wählt, das ist … irgendwie seltsam.«
    »Ihr meint, weil ich wie ein Ganese spreche?«, antwortete er, ohne sie anzusehen. »Ich habe lange auf Jâr’en gelebt und schätze Euer Volk, das die Bäume im Garten der Seelen so aufopferungsvoll pflegt. Ihr seid auch eine von ihnen, nicht wahr?« Für ihn lag die Vermutung nahe. Das Aussehen der Frau sprach ebenso dafür wie ihre geschmeidige Art, sich zu bewegen. Und nicht zuletzt das gefiederte Juwel auf ihrer Schulter, mit dem sie so harmonisch im Duett gesungen hatte – all dies war für eine Angehörige des naturverbundenen Gartenvolkes typisch.
    »Ihr kennt die Heilige

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