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Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Titel: Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Wollmäuse in ihre Löcher fliehen und Flughunde ihre feinen Nasen gierig in den Wind recken. Sie witterten Blut.
    Taramis sprang von der Sitzbank auf, als die heisere Stimme aus dem Haus zu neuem Klagen anhob. Der Schrei seiner Frau ging ihm durch Mark und Bein.
    »Setz dich hin, Freund. Das dauert noch«, sagte Jagur. Es war ein lauer Frühlingsabend, den der Kirrie sichtlich genoss. Seelenruhig kraulte er sich den krausen Vollbart. Sein rollender Bass verströmte Gelassenheit. Rechts neben ihm lehnte seine Streitaxt an der Bank, zu seiner Linken stand ein Krug mit kühlem Bier.
    »Du hast gut reden«, stöhnte Taramis. »Es ist ja nicht deine Frau, die da wie am Spieß brüllt.«
    »Aber es ist meine Lehi, die danebensteht und es sich anhören muss.«
    Seufzend nahm Taramis wieder unter dem Vordach an der Seite des weißhaarigen Freundes Platz und lehnte sich mit dem Rücken an die Hauswand. Sein neues Heim, ein ehemaliger Zuchthof für Wollmäuse, war aus Feldsteinen gebaut, weiß verputzt und mit Ried gedeckt. Shúria hatte es in den letzten Monaten zu einer Oase des Friedens gemacht, obgleich ihr Leib in dieser Zeit stärker angeschwollen war als bei Ari. So klaglos, wie sie die Beschwernisse der Schwangerschaft ertragen hatte, so geräuschvoll durchlitt sie jetzt die Wehen. »Ich dachte immer, beim Zweiten sei alles leichter.«
    »Mach dir keine Sorgen. Lehi hat schon viele Bälger ins Leben geholt. Und Siath ist auch noch da. Niemand ist so im Einklang mit der Natur wie die Ganesen. Etwas Besseres als diese beiden Geburtshelferinnen kann deiner Shúria gar nicht passieren.«
    Unweigerlich musste Taramis grinsen. »Ich hätte nie gedacht, einmal meine Frau und mein Kind einer bärtigen Hebamme anzuvertrauen.«
    Jagur nahm einen tiefen Schluck aus dem Krug. »Du kommst eben langsam in das Alter, wo man klug wird.«
    Die Tür öffnete sich, und Siath kam mit Ari heraus. Von einem nahestehenden Baum schwebte ein Greifvogel herbei und landete auf ihrem Arm. Es war Tosu, ihr ständiger Begleiter. Sie begrüßte den Goldmilan in einer Sprache, die nur sie verstand. So kühl das Äußere der hübschen Ganesin war, so warm und einschmeichelnd klang ihre volle Stimme. Sie trug ein leichtes, flachsfarbenes Kleid, das ihre Schultern und Arme freiließ. Ihre helle Haut glänzte von Schweiß. Bei was auch immer sie Shúria geholfen hatte, es musste sie angestrengt haben. Ihre freie Hand lag entspannt im Nacken des Jungen, während sie sich Taramis zuwandte. »Dein Sohn ist aufgewacht.«
    »Jetzt erst?«, wunderte er sich.
    »Kinder haben einen festen Schlaf. Aber nun sorgt er sich um seine Mutter. Lenkt ihn etwas ab.«
    Jagur zwinkerte dem Elfjährigen zu. »Habe ich dir schon mal erzählt, wie meine Lehi drei Schurken auf einmal enthauptet hat?«
    Ari machte große Augen. »Tante Lehi hat Männern den Kopf abgeschlagen?«
    »Ich rede von meiner Axt, Junge.« Der Kirrie hob seine doppelschneidige Waffe hoch.
    »Stell sie sofort wieder weg«, verlangte Taramis. »Du willst wohl, dass er Albträume kriegt.«
    »Wie denn? Er kann ja nicht schlafen.«
    Taramis breitete die Arme aus. »Komm mal her, kleiner Löwe.«
    Ari löste sich von Siath. Seiner zarten Statur sah man nicht an, dass er der Sohn des größten Kriegers war, den Berith je gesehen hatte. Sowohl äußerlich wie auch von seinem Wesen her schlug er mehr nach der Mutter. Nichts beunruhigte den empfindsamen Jungen so sehr wie die Leiden anderer Lebewesen, ganz gleich ob Mensch oder Tier. Er ließ sich an die Brust des Vaters sinken. »Wird Mama sterben?«
    Unwillkürlich wechselte Taramis einen Blick mit der Ganesin.
    Sie schüttelte den Kopf. Kein Grund zur Sorge. Ihr Gesicht blieb jedoch ernst.
    »Deiner Mutter passiert nichts«, sagte Taramis und verwuschelte Aris schwarzen Haarschopf. »Sie schenkt deinem Bruder oder deiner Schwester das Leben. Eine Geburt ist ziemlich anstrengend.«
    »Ich schreie nie, wenn ich etwas Anstrengendes mache, Papa.«
    »Solltest du aber«, mischte Jagur sich erneut ein. »Bei mir wirkt ein ordentliches Gebrüll wahre Wunder. Einmal wollten mir sieben Seeleute gleichzeitig die Falten aus dem Gesicht bügeln. Da habe ich meine Lehi beim Stiel gepackt und …«
    »Trink noch einen Schluck Bier«, unterbrach ihn Taramis schnell.
    Jagur klappte den Mund zu, brummte wie ein Bär und schnappte sich den Krug.
    »Ich gehe dann mal wieder rein«, erklärte Siath, schickte ihren gefiederten Freund in die Nacht zurück und verschwand im

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