Die Zuflucht der Drachen - Roman
Schwarzbrunnen?«
»Wir sollten Agad nicht in die Sache verwickeln«, warnte Raxtus. »All diese toten Drachen werden ihm überhaupt nicht gefallen. Und wenn er dir Obdach gibt, würden andere rachsüchtige Drachen wahrscheinlich angreifen und Wyrmroost ins Chaos stürzen. Ich werde dich in meine Höhle bringen. Sie ist weit weg von hier und gut versteckt.«
Kendra hob das Horn des Einhorns auf, außerdem ihren Regenstab und die Taschenlampe. »Das Ei ist zu schwer.«
»Nicht für mich«, gab Raxtus zurück. »Ich habe vier Klauen, die alle zum Greifen taugen. Folge mir. Hier entlang. Lass das Licht ausgeschaltet. Wenn der Gang wieder breiter wird, werde ich dich tragen. Wenn es weiterregnet und wir schnell sind und Glück haben, könnten wir direkt unter Nafias Nase davonschlüpfen.«
Kendra folgte dem Drachen durch die enge Kluft. Sobald der Gang breiter wurde, spürte sie, wie seine Klaue sie um die Taille fasste, dann schwebten sie gemeinsam in die regengepeitschte Nacht hinauf. Seit sie aufgehört hatte, den Stab zu schütteln, hatte der Sturm etwas an Heftigkeit verloren, aber es war immer noch sehr windig, und der Regen schlug ihr eiskalt ins Gesicht. Wie konnte Wasser so kalt sein, ohne zu gefrieren?
Als Kendra sich umblickte, sah sie im Regen eine Silhouette hoch aufragen. Vielleicht Nafia, die auf einem Felsvorsprung Wache hielt. Aber die Gestalt machte keinerlei Anstalten, sie zu verfolgen.
Kendra fühlte sich, als wäre sie mitten in einem Hurrikan. Heftige Böen, die wechselnd von oben und unten kamen, warfen sie hin und her. Selbst ein aerodynamischer kleiner Drache wie Raxtus schien angesichts dieser ungestümen Winde überfordert. Manchmal kämpfte er gegen die wilden Böen an, manchmal machte er sie sich zunutze, sauste mit ihnen oder wich ihnen aus, wand sich und stürzte, schwang herum und stieg wieder auf. Als sie an Höhe gewannen, wurde der Regen zu Hagel, der von den unsichtbaren Schuppen des Drachen abprallte. Kendras Winterkleidung bot einen gewissen Schutz gegen Kälte und Nässe, aber schließlich begann sie dennoch zu zittern. Sie verlor jedes Orientierungsgefühl, während die launischen Winde sie durch die eisige Dunkelheit jagten.
Endlich landeten sie in einer kleinen Höhle. Als Raxtus sich sichtbar machte, erhellte sein Leuchten den Raum stärker als jedes Lagerfeuer. Tropfsteine, die aussahen wie gefrorenes Karamell, bedeckten Wände und Boden. Auf einem steinernen Sims neben einem glitzernden Fleckchen Kalkspat hockte ein Astride.
»Ist das deine Höhle?«, erkundigte sich Kendra.
»Dieses Loch in der Wand?« Raxtus lachte. »Nein, meine Höhle ist nichts Großartiges, aber doch nicht ganz so winzig und kahl. Der Astride hat mich gerufen.«
Dein Bruder ist wohlauf.
»Seth?«, fragte Kendra. »Hast du ihn gesehen?«
Nicht ich, aber andere haben ihn gesehen. Er ist bei dem Himmelsriesen. Jetzt, da wir mit Feen sprechen können, haben zwei von uns eine Fee zu Thronis gebracht, die uns als Dolmetscherin dient. Dein Bruder und der Riese wissen, dass du hier bist. Sie meinen, dass du am besten bis morgen früh hier warten solltest.
»Und was dann?«
Der Riese wird das Wetter kurzzeitig etwas beruhigen, damit du mit den anderen Überlebenden aus deiner Gruppe zum Ausgang eilen kannst.
»Was ist mit Trask? Und Tanu? Und Mara?«
Diese drei sind wohlauf. Der Riese hat sie mit Hilfe seines Sehsteins aufgespürt. In ebendiesem Moment werden sie von Greifen geborgen. Sie werden an verschiedenen Stellen im Reservat Zuflucht finden. Morgen früh wird ein Greif dich holen kommen, und du wirst dich mit deinen Freunden am Tor treffen.
»Ich bleibe bis morgen früh bei dir«, versprach Raxtus. Er hob einen Flügel. »Du kannst dich zum Schlafen an mich lehnen. Deine Energie hat mich erwärmt.«
»Alles klar«, sagte Kendra. »Richte dem Riesen meinen Dank aus.«
Ich werde ebenfalls bei dir bleiben.
Kendra kroch unter Raxtus’ Flügel, den er wie eine Decke über sie breitete. Der Drache hatte recht: Er war ganz warm, und Kendra hörte beinahe sofort auf zu zittern. Eigentlich war es richtig kuschelig.
Kendra schloss die Augen und versuchte, ihre Gedanken zur Ruhe kommen zu lassen. Zumindest war Seth in Sicherheit. Und auch einige der anderen hatten überlebt. Sogar Mara, die sie bereits tot geglaubt hatte.
Kendra leckte sich nachdenklich die Lippen. Gegen alle Wahrscheinlichkeit war sie Navarog entkommen. Vielleicht würde sie dieses Abenteuer doch noch überleben. Sie würde
Weitere Kostenlose Bücher