Rolf Torring 118 - Der gefährliche Hummer
1. Kapitel
Ein aufdringlicher Mensch
Unsere Jacht lag im Hafen von Pi-lam an der Ostküste Formosas vor Anker. Während Kapitän Hoffmann die Einnahme neuen Brennstoffs überwachte, bummelten Rolf und ich ohne bestimmtes Ziel durch die Stadt. An wesentlichen Baudenkmälern, Gebäuden oder gar Kunstschätzen gab es hier kaum etwas zu sehen. Wir wären in dem Hafen auch nicht gelandet, wenn uns nicht der Brennstoff ausgegangen wäre.
In zwei Stunden wollten wir wieder an Bord sein, um nach der Hafenstadt Kilung zu fahren, die Rolf kennen lernen wollte.
„Hast du bemerkt, Hans," sagte Rolf plötzlich, „daß wir heimlich beobachtet werden? Man verfolgt uns, schon seit einer Stunde."
Rolf riß mich mit dem Satz aus freundlichen Gedankengängen heraus, denn ich hatte eben das Erlebnis, das wir mit Kapitän Farrow und der Mannschaft seines U-Bootes gehabt hatten, noch einmal überdacht (siehe Band 117: „Kapitän Farrow"). Nie hätte ich es für möglich gehalten, daß in Pi-lam eine Menschenseele uns kennen würde.
Ungläubig schaute ich deshalb Rolf an und meinte:
„Täuschst du dich auch nicht? Wer sollte hier ein Interesse an uns haben?"
„Das habe ich mich selber auch gefragt, Hans, aber ich täusche mich bestimmt nicht. Der Mann, ein Weißer übrigens, ist dauernd hinter uns her. Aber schau dich nicht um! Ich möchte ihm nicht zeigen, daß wir schon bemerkt haben, daß er uns folgt. Laß uns in die kleine Teestube dort gehen; von da aus können wir die Straße gut überblicken. Ich bin neugierig, was der Mann von uns will."
Mein Interesse war sofort erwacht, aber ich befolgte Rolfs Rat und blickte mich nicht um. Ich folgte meinem Freunde in die Teestube, wo wir an einem Fenster Platz nahmen. Eine kleine Japanerin brachte uns die bestellten Getränke und verschwand auf den Schuhen mit den dicken Filzsohlen sofort wieder. Die Teestube war zu der ungewöhnlichen Stunde ganz leer; wir konnten uns ungestört deutsch unterhalten.
„Den Mann dort meine ich," sagte Rolf und deutete mit einer Kopfbewegung auf einen Weißen, der gerade auf der anderen Straßenseite vorbeiging. „Mir kommt es vor, als ob er jetzt nicht wüßte, was er tun sollte. Sein Wesen ist zögernd und unschlüssig."
„Ich kenne den Mann nicht," bemerkte ich. „Außerdem weiß doch kein Mensch, daß wir hier sind."
„Vielleicht haben wir ihn früher einmal kennen gelernt. Er kann uns ja wiedererkannt haben und weiß nicht, ob er es wagen darf, uns anzusprechen."
„Das hätte er doch gleich tun können und brauchte nicht eine Stunde hinter uns herzulaufen."
„Schau, Hans, er hat kehrtgemacht und kommt auf die Straßenseite der Teestube. Vielleicht wird er gleich das Lokal betreten."
Tatsächlich erschien der Mann kurz darauf in der Tür der Teestube, betrat sie und nahm an einem Tisch in unserer Nähe Platz. Dagegen konnten wir nichts einwenden. Wir konnten das Benehmen des Mannes noch nicht einmal als aufdringlich bezeichnen, denn er hatte uns noch keines Blickes gewürdigt, sondern beim Betreten des Lokals nur höflich gegrüßt, wie es jeder Mensch tut, der eine Gaststätte betritt.
Wir plauderten von gleichgültigen Dingen. Der neue Gast hatte sich eine Schale Tee bringen lassen und schien zu überlegen, was er tun sollte.
Plötzlich stand er auf und kam an unseren Tisch. Ohne zu fragen, ob er sich zu uns setzen dürfe, lachte er Rolf ins Gesicht und sagte:
„Sie kennen mich nicht mehr, Herr Torring? Na, es ist schon eine ganze Weile her, daß ich das Vergnügen hatte, Sie kennen zu lernen."
Wir schauten den Mann an, aber weder Rolf noch ich konnten uns entsinnen, ihn vorher je gesehen zu haben.
„Ich weiß nicht, mein Herr," antwortete Rolf, „wo wir die Bekanntschaft gemacht haben könnten. Wollen Sie es uns nicht sagen?"
Belustigt blickte uns der Mann an und lachte still vor sich hin.
„Ich kenne Sie beide, meine Herren. Sie, Herr Torring, habe ich eben schon mit Namen angesprochen, und Sie sind Herr Warren. Ich laufe schon eine ganze Zeit hinter Ihnen her."
„Das haben wir bemerkt," sagte Rolf. „Deshalb gingen wir in die Teestube, um Sie vorüber zulassen. Darf ich fragen, was Sie von uns wollen?"
Wieder lachte der Mann eigentümlich auf.
„Ich will sehr viel von Ihnen. Meine Zeit ist kostbar, ich hoffe, nicht umsonst heute eine
Weitere Kostenlose Bücher