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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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weniger Glück gehabt hatte, war Oma Oaks in mein Zimmer gekommen und hatte gefragt, was dieser Lärm zu bedeuten habe. Ich behauptete, ich hätte einen Albtraum gehabt. Sie nannte mich ein » armes Lämmchen« und zog mich an ihre ausladende Brust. Ich war jedes Mal einigermaßen verstört, wenn sie so etwas tat.
    Ich lag lange wach und dachte über Dinge nach, die weit zurücklagen, an all die Menschen, die ich nie wiedersehen würde. Stein und Fingerhut, meine beiden Mitbälger… Sie hatten sich benommen, als hätten sie die Anklagen geglaubt, die gegen mich erhoben worden waren. Sie schienen mich tatsächlich für fähig zu halten, illegal Dinge zu horten, und das tat mir immer noch weh. Ich vermisste so viele: Seide und Zwirn, die rechte Hand unserer Anführerin. Außerdem Mädchen 26, die immer zu mir aufgeblickt hatte. In einem Fiebertraum hatte Seide mir erzählt, dass die Enklave nicht mehr existierte, und ich fragte mich, ob es vielleicht sogar stimmte, sah aber keine Möglichkeit, es zu überprüfen. Als ich College verließ, verlor ich praktisch jeden, der mir etwas bedeutete, und jetzt hatte ich das Gefühl, auch Bleich verloren zu haben. Vorhin, als Draufgänger den Freak erschossen hatte, hatte ich mich gefragt, ob der Schrei seines Gefährten vielleicht ein Ausdruck von Gefühlen gewesen war. Ob diese Monster genauso fühlten wie wir und ob sie ihre Gefallenen vermissten. Es war ein unangenehmer Gedanke, und er plagte mich immer noch, als ich endlich in unruhigen Schlaf fiel.
    Und dann begann der Albtraum.
    Ich konnte ihn regelrecht auf der Haut spüren, diesen Gestank, der uns entgegenschlug, als wir um die letzte Biegung kamen. An die Dunkelheit und Kälte hatte ich mich längst gewöhnt, aber der Gestank war neu. Es roch wie damals, als die Freaks uns in dem alten Waggon umzingelt hatten, nur hundertmal schlimmer. Bleich legte mir eine Hand auf den Arm und bedeutete mir, mich ganz dicht an der Wand zu halten und so leise wie möglich weiterzuschleichen. Ich gehorchte nur zu gern.
    Als Erstes sahen wir die zerstörte Barrikade. Sie war unbemannt. In der Siedlung wimmelte es nur so von Freaks. Sie waren dick im Vergleich zu denen, die wir unterwegs gesehen hatten. Entsetzen packte mich. Ich konnte den Anblick der Leichen kaum ertragen, er erstickte jeden klaren Gedanken.
    Es gab niemanden mehr, den wir retten konnten, und unsere Ältesten hatten den letzten Überlebenden aus Nassau getötet. Damit lag die nächste Siedlung, mit der wir Handel treiben konnten, vier Tagesmärsche in entgegengesetzter Richtung. Bleich deutete mit dem Kinn. Er hatte recht. Es war Zeit zu gehen. Hier erwartete uns nichts anderes als der Tod.
    Ich war am Ende meiner Kräfte, aber die Angst hielt mich auf den Beinen. Sobald wir uns weit genug weggeschlichen hatten, rannte ich los. Meine Füße hämmerten über den Boden, und ich lief, bis ich den Schrecken weit genug hinter mir gelassen hatte. Nassau war nicht vorbereitet gewesen. Sie hatten nicht geglaubt, dass die Freaks eine ernsthafte Bedrohung darstellen könnten. Ich versuchte, nicht an die Angst zu denken, die die Bälger verspürt haben mussten, und nicht an die Schreie ihrer Zeuger. Nassaus Jäger hatten versagt.
    Das konnte uns nicht passieren. Es durfte uns nicht passieren. Wir mussten es zurück nach Hause schaffen und die Ältesten warnen.
    Meine Beine bewegten sich, aber ich kam nicht vom Fleck. Ich rannte, der Boden gab unter meinen Füßen nach und verschlang mich. Ich schrie, aber kein Laut drang aus meiner Kehle. Dann wurde alles schwarz, ich fiel, und die Welt um mich herum drehte sich.
    Dann war ich in der Enklave. Verächtliche Blicke schlugen mir entgegen. Sie bespuckten mich, während ich durch die Gassen auf die Barrikade zuging. Ich hob das Kinn und ignorierte die hasserfüllten Gesichter. Bleich wartete schon auf mich. Stumm standen wir da, während sie unsere Sachen durchsuchten. Eine Jägerin warf mir meinen Beutel an den Kopf. Ich fing ihn auf. Ich wagte kaum zu atmen, als sie sich vor mir aufbaute.
    Â» Du widerst mich an«, knurrte sie.
    Ich sagte nichts. Wie schon so viele Male zuvor kletterten Bleich und ich auf die andere Seite der Barrikade, aber diesmal würden wir nicht zurückkehren. Wir waren verstoßen. Ohne nachzudenken, rannte ich in irgendeine Richtung los, rannte, bis der Schmerz in meiner Seite so

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