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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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können. Es schien mir ein vernünftiger Vorschlag, aber die Verantwortlichen – ältere Bewohner, die tatsächlich alt waren – waren der Meinung, junge Menschen sollten ihre Zeit besser damit verbringen, sich mit Buchstaben und Zahlen herumzuschlagen. Es gab auch Geschichtsunterricht und endlose Tests mit Fragen, die keinen Menschen interessierten, der halbwegs bei Verstand war.
    Ich fand es beleidigend. Wenn jemand schon Kleidung weben konnte, warum sollte er dann auch noch Brot backen lernen? Es war die reinste Vergeudung, aber in Erlösung gab es für alles Regeln und Vorschriften. Wenn man dagegen verstieß, hatte das Konsequenzen, also musste ich vorsichtig sein.
    Ich schlich mich mit Pirscher durch die dunklen Straßen, und wir passten auf, bloß keinen der vielen Hunde aufzuwecken, die sofort Alarm geschlagen hätten. Das war noch so etwas Eigenartiges: Sie hielten sich Tiere als Freunde statt als Nahrung. Als ich Oma Oaks fragte, wann sie denn vorhätte, das fette Vieh zu kochen, das immer in dem Korb in der Küche schlief, wäre sie beinahe in Ohnmacht gefallen. Von da an hielt sie mich fern von ihrem Schoßtier, als hätte sie den Verdacht, ich könnte es heimlich zu Eintopf verarbeiten. Ich hatte offensichtlich noch eine Menge zu lernen.
    Â» Ich rieche sie«, sagte Pirscher.
    Ich hob den Kopf und schnupperte in der nächtlichen Luft. Niemand, der einmal einem Freak begegnet war– oder einem Stummie, wie sie Oben genannt wurden–, vergaß je wieder diesen Gestank nach fauligem Fleisch und eiternden Wunden. Ihre Vorfahren waren angeblich Menschen, doch das ist lange, lange her. Damals ist etwas passiert, und sie wurden krank. Viele sind gestorben, und manche haben sich verändert. Die Toten hätten Glück gehabt, sagte Edmund gerne, aber Oma Oaks verbot ihm jedes Mal das Wort, sobald er so redete. Irgendwie glaubte sie, uns beschützen zu müssen, aber ich konnte nur lachen über ihren Beschützerinstinkt. Ich hatte in mehr Schlachten gekämpft als die meisten der Wachposten hier.
    Ich blieb stehen und lauschte.
    Die Waffen in Erlösung waren nicht lautlos wie unsere. Hätte der Kampf schon begonnen, hätte ich ihre Gewehre hören müssen, aber alles war still. Wir hatten also noch genug Zeit, um den südlichen Wachturm zu erreichen, wo Draufgänger auf Posten war. Er war der Einzige, der mich nicht jedes Mal aufgebracht verscheuchte und sagte, ich würde um diese Zeit längst ins Bett gehören. Geduldig hatte er während der letzten Wochen all meine Fragen beantwortet, während die anderen Männer behaupteten, das ginge mich nichts an, und Oma Oaks mein unangemessenes Verhalten petzten. Mehr als einmal bekam ich ordentlich Ärger wegen meiner nächtlichen Streifzüge.
    Wie immer protestierte Draufgänger nicht, als wir die Leiter heraufkletterten und uns zu ihm gesellten. Eine Laterne flackerte neben ihm, und ich schaute hinaus auf den Wald unterhalb. Links und rechts des Turms verliefen die Laufstege, aber ich blieb lieber hier, denn die anderen Wachen hätten mich nur angeschrien, dass ich im Weg stünde. Ich hatte kein Gewehr und konnte ohnehin nicht auf die Freaks schießen. Außerdem hätte Oma Oaks von meinem schlechten Benehmen erfahren. Ich hätte Extraarbeit aufgebrummt bekommen und eine weitere Standpauke, dass ich mich nicht genug bemühe, mich einzufügen.
    Â» Ihr verpasst nie einen Kampf, wie?«, sagte Draufgänger und spannte Altes Mädchen.
    Â» Nicht wenn es sich vermeiden lässt«, erwiderte Pirscher.
    Â» Es fühlt sich einfach falsch an… Ich bin daran gewöhnt mitzuhelfen. Wie viele sind es heute?«
    Â» Ich hab zehn gezählt, aber sie halten sich zurück, bleiben gerade so außer Reichweite.«
    Bei seinen Worten lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. » Sie versuchen, euch nach draußen zu locken?«
    Â» Wird nicht klappen«, beruhigte er mich. » Sie können da draußen herumschleichen, solange sie wollen. Aber wenn sie Hunger kriegen und angreifen, schießen wir sie nieder.«
    Ich wünschte, ich hätte ebenso großes Vertrauen in schützende Mauern wie er. Unten hatten wir natürlich auch Barrikaden gehabt, aber sie waren nicht die einzige Schutzmaßnahme. Ständig schickten wir Patrouillen aus, die unser Gebiet sauber hielten, und die Vorstellung, dass noch mehr Freaks dort draußen

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