Die zweite Wirklichkeit
vermeintlichen Leichnam und sich selbst hatte verbrennen wollen. Doch er war gescheitert.
Irgendwann brannten die Flammen von selbst nieder, als ihnen die Nahrung fehlte. Fast übergangslos geschah es, und selbst die Glut in dem verkohlten Astwerk und Reisig verglomm binnen weniger Sekunden.
Hidden Moon stand stumm und starr. Unfähig, etwas anderes zu tun, als das anzustarren, was von Lilith übriggeblieben war.
Schwarz verkohlt und beinahe formlos lag es da.
Erst nach einer ganzen Weile fand er Kraft und Willen, näherzutreten. Er stapfte durch die Reste des Feuers und griff nach dem öligen Ding, das einmal Lilith gewesen war.
Doch dann - zerfloß die Schwärze unter seinen Händen. Bleiche Haut wurde sichtbar. Ein Gesicht, unversehrt und so schön wie eh und je.
Der Symbiont kleidete Lilith in jenen zerrissenen Catsuit, der sein bevorzugtes »Modell« zu sein schien.
Die Halbvampirin richtete sich auf und lächelte Hidden Moon an -erschöpft, aber glücklich.
»Ich schätze, du schuldest mir eine Erklärung«, meinte Lilith und wies auf die verkohlten Überreste ringsum. »Ein Glück, daß dieses Ding -«, sie strich über ihr Mimikrykleid, »- wenigstens noch feuerfest ist.«
»Ich glaube, wir haben uns gegenseitig sehr vieles zu erklären«, erwiderte der Arapaho. Er nahm Liliths Hand und half ihr auf. Dann hob er sie auf seine Arme und trug sie fort.
»Sag mal, kennst du einen gewissen Esben Storm?« konnte man Lilith von fern fragen hören.
»Ist er klein, schwarz und hat eine breite Nase?« entgegnete Hid-den Moon.
»Ja.«
»Ich habe ihn flüchtig getroffen - wie in einem Traum.«
Sie hatten in der Tat vieles zu besprechen in der folgenden Nacht. Und manches nachzuholen .
*
Epilog
Gabriel erwachte aus dem fremden Traum, über den seine Macht nicht länger verfügen konnte, nachdem dort alles wieder ins rechte, ins ursprüngliche Lot gerückt worden war.
Lange blieb er noch liegen und starrte düster ins Nirgendwo.
Er hatte Lilith Eden unterschätzt. Aber er schrieb es dem zu, was in ihm das Pendant zu »kindlichem Leichtsinn« sein mochte.
Daß sie ihm entkommen war, bedeutete nicht, daß sie ihm überlegen war. Sie war es auch damals nicht gewesen .
Damals .?
Er wußte den Gedanken nicht richtig einzuordnen. Noch nicht ...
Gabriel schnaubte abfällig.
Kein Mensch oder auch nur halbmenschliches Wesen konnte ihm gewachsen sein!
Wenn er erst zu alter Macht zurückgefunden hatte. Und neue hinzugewonnen hatte. Der Zeitpunkt war nicht mehr fern.
Wie von selbst glitt der Blick des Kindes zum Fenster hinaus und wanderte höher, dorthin, wo sein Ziel lag. Hinauf zu dem Kloster, dessen Geheimnis es in naher Zukunft lüften würde.
Und dann .
Gabriel grinste.
Nicht die Spur kindlich. Sondern nur - diabolisch.
Glossar
In diesem Band tauchen viele von Liliths Bekanntschaften aus den Anfängen der Serie auf, die ich hier kurz aufführen möchte, auch wenn sie im vorliegenden Roman teils andere Rollen spielen:
Harold - Liliths Boyfriend in der Traumwelt, in der sie die ersten 98 Jahre ihrer Existenz schlafend verbrachte. Mit ihm teilte sie ihre ersten sexuellen (und traumatischen) Erfahrungen.
Hora/Herak - Zwei Oberhäupter der Vampirsippe in Sydney. Als Hora von Lilith getötet wurde, übernahm Herak dessen Amt und begann mit dem Projekt »Gen-Vampir«, das der Alten Rasse ein Überleben sichern sollte, nachdem der Lilienkelch verschollen blieb.
Lancaster, Sean und Creanna - Liliths Eltern in Traumwelt und Wirklichkeit. In letzterer allerdings lernte sie Creanna nie kennen, weil diese als Vampirin bei Liliths Geburt sterben mußte. Sean wurde Jahre später von Vampiren hingerichtet, als er das magisch gesicherte Haus an der Paddington Street kurz verließ.
Landers, Hector/Landru - Kelchhüter und -jäger, Sohn der Ur-Li-lith, Liliths Erzfeind, mächtigster Blutsauger auf Erden . Landru, der unter dem Tarn-Namen Hector Landers auftritt, hat in seinem äonenalten Leben viele Rollen gespielt. In Liliths Traumwelt ist es eine ganz besondere .
Luther, Duncan - Liliths Mitstreiter über lange Zeit, früher Priesteranwärter in Sydney. Sein Leben änderte sich vollkommen nach der Begegnung mit Lilith - und endete letztlich auch durch sie im Garten Eden am Anfang der Zeit, wohin ihr besonderer Keim ihn führte, nachdem er in New Delhi von Vampiren ermordet wurde.
Marsha - Liliths Freundin aus der Traumwelt, in der die Halbvampirin unbeschwert aufwachsen sollte. In der Wirklichkeit pflegte
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