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Die zweite Wirklichkeit

Die zweite Wirklichkeit

Titel: Die zweite Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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so hatte selbst der Alte geglaubt, wohl nie eintreten würde .
    Er hatte sich geirrt. So vieles war anders geworden.
    Und alles fand ein Ende.
    Schließlich hob Hidden Moon seine tote Gefährtin auf und bettete sie vorsichtig oben auf das Gerüst. Mit Pflanzensäften und Erde zeichnete er schlicht aussehende Symbole auf ihren Körper, ehe er in gleicher Weise mit seiner rötlichfarbenen Haut verfuhr.
    Aus Steinen schlug er Funken, setzte ein Grasbüschel in Brand. Damit wiederum entzündete er das Material unter dem Gerüst. In jeder Himmelsrichtung legte er ein Feuer.
    Am Kopfende blieb der Arapaho schließlich stehen. Er senkte den Kopf, schloß die Augen, ließ Gesänge aus den abgründigsten Tiefen seiner Erinnerung aufsteigen. Sie sollten den Weg ebnen, die unsichtbaren Tore öffnen hinüber in jene andere Welt.
    Und sie taten es.
    Es war nicht zu sehen, nicht einmal wirklich zu spüren. Allein der eisige Hauch, von dem Hidden Moon sich gestreift glaubte, mochte ein Hinweis darauf sein, daß die Dinge wurden, wie sie werden sollten.
    Vor ihm fraßen sich die Flammen knisternd durch Reisig und Holz. Vereinzelt züngelten sie schon hoch genug, um den Leichnam zu berühren. Es wurde Zeit .
    Hidden Moon trat vor, faßte nach dem Gerüst, um sich daran hochzuziehen - - und hielt inne!
    »Wyando.«
    Die Stimme klang nicht einmal laut, und für eines Menschen Ohr wäre sie vielleicht im Prasseln des Feuers untergegangen. Der Ara-paho jedoch fühlte sie wie die Berührung einer totenkalten Hand, die ihn an der Schulter zurückhielt.
    Schnell drehte er sich um. Und erstarrte von neuem.
    »Vater?« entfuhr es ihm.
    Der Mann, der ihm nur wenige Schritte entfernt gegenüberstand, nickte. Er war uralt, sein Gesicht ein Meer von Falten. Seine Gestalt hager und so dürr, daß der geringste Wind genügen mußte, ihn zu Boden stürzen zu lassen. Aber Wind konnte ihm nichts anhaben. Er ging durch ihn hindurch, als wäre er nicht Teil dieser Welt.
    »Folge mir, Wyando«, sagte Makootemane und wandte sich um.
    Wie in Trance tat Hidden Moon, was der Alte (der Tote!) ihm geheißen hatte. Bis an den Rand des einstigen Dorfes gingen sie, Ma-kootemane immer ein paar Schritte voran, und Hidden Moon schaffte es allen Bemühungen zum Trotz nicht, die Distanz zu überbrücken.
    Unvermittelt blieb Makootemane stehen. An einer Stelle, von der kaum einen Schritt entfernt die Luft seltsam flimmerte. Ein bißchen wie bei großer Sonnenhitze - und doch anders. Als wäre die Wirklichkeit an dieser etwa mannshohen Stelle verwischt.
    Wie einladend wies der Alte auf diese Stelle.
    »Was ...?« begann Wyando, unterbrach sich aber, als etwas in dem Flimmern entstand.
    Als eine Gestalt darin erschien, kleiner noch als Makootemane und von dunkler Hautfarbe, wie der Arapaho erkannte, obwohl der andere in ähnlicher Weise durchscheinend wirkte wie sein toter Vater. Das Gesicht der Gestalt wirkte fremd, auf schwer zu beschreibende Weise »urtümlich«.
    Wyando hatte das Land seiner Ahnen nie verlassen. Dennoch wußte er um die anderen Völker dieser Welt. Dieser Fremde erinnerte ihn an Bilder, die er von australischen Ureinwohnern gesehen hatte.
    Aborigines .
    »Geh mit ihm«, sagte Makootemane und zeigte auf den Fremden.
    »Wer ist er?« fragte Wyando.
    »Niemandes Freund«, erwiderte der Alte. »Aber er wird dir helfen, dich auf Pfade führen, die mir verwehrt sind.«
    »Wobei helfen?« wollte der Arapaho wissen.
    »Hast du soviel Zeit, daß du sie mit Fragen vertun kannst?« fragte Makootemane lächelnd.
    »Nein«, antwortete Wyando. Er trat vor. Der Aborigine reichte ihm die Hand und zog ihn in das Flimmern hinein.
    Und Hidden Moon verließ die Wirklichkeit.
    Um mit einer anderen zu verschmelzen.
    *
    Sydney, Australien?
    »Wollen wir ihnen nach?« flüsterte Marsha.
    »Natürlich«, erwiderte Duncan.
    Gerade noch hatte er das Mädchen in die Schatten neben der Eingangstür zerren können, kurz nachdem sie das Haus 333, Padding-ton Street betreten hatten, das unbewohnt und verfallen wirkte. Von oben hatten sich hastige Schritte genähert, in den Schatten unterhalb der Treppe war Bewegung entstanden. Aber obwohl sie kein wirklich sicheres Versteck gefunden hatten in der Eile, war niemand auf sie aufmerksam geworden. Als wären sie nicht Teil dieser Wirklichkeit - oder als läge etwas um sie wie ein tarnender Mantel.
    Die Tür, von der Marsha wußte, daß sie in den Keller führte, schloß sich.
    »Los!« gab Duncan das Zeichen und huschte durch die

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