Die Zwerge
dreifach so stark wie die erste. Der ganze Acker lag voller schlafender Bestien; sie hatten keine Feuer entzündet, und deshalb war er nicht durch den Schein der Flammen gewarnt worden.
Tungdil machte einen schnellen Satz zurück, ehe ihn eine Wache bemerkte. So sehr er sich umschaute und einen Ausweg suchte, es blieb ihm keine andere Wahl, als mitten durch das Leibergewirr der schlafenden Feinde zu schleichen, um ins Dorf zu gelangen.
Nach anfänglichem Zweifel meldeten sich der zwergische Trotz und zugleich der Wunsch, die Menschen vor der anrückenden Übermacht zu warnen. Tungdil pirschte sich den Waldrand entlang, um im Schutz des Gebüschs nach einer Schneise zwischen den Körpern zu suchen.
Da trat seine Sohle auf etwas Hartes, und es klickte leise. Plötzlich stob Laub vom Boden auf, zwei Metallklammern klappten zu und umschlossen seinen linken Unterschenkel kurz unterhalb des Knies. Die Erde tat sich auf, und Tungdil verschwand in einem Loch. Nach kurzem Fall schlug er kopfüber in der Grube auf und verlor das Bewusstsein.
*
Die Schmerzen holten ihn aus der Ohnmacht.
Tungdil erwachte vom peinigenden Klopfen in seinem linken Bein. Stöhnend setzte er sich auf und schaute nach oben, wo sich die Ränder der Grube als schwarze Umrisse vom hellen Grün darüber abhoben. Der Tag war angebrochen.
Das, was sich mit Gewalt um seinen Unterschenkel klammerte und ihm das Blut abstellte, kannte er: Die Menschen stellten es auf, um Wölfe zu fangen. Zackenbewehrte Stahlkiefer hatten sich durch seine Lederhose gebohrt, dunkelrote Krusten saßen auf seinen Wunden. Der Unterschenkel pochte dumpf.
Tungdil hielt sich nicht damit auf, das Fangeisen auseinander zu drücken. Er biss die Zähne zusammen, nahm die Axt und schlug so lange auf die dünnen Bolzen ein, welche die Federn arretierten, bis sie brachen.
Jeder Stoß gegen die Falle übertrug sich auf sein Bein, und ein unterdrücktes Ächzen drang aus seinem Mund. Entschlossen entfernte er das gewundene Eisenstück, und der Druck der Klammern ließ nach.
Vorsichtig befreite er sich vom Fangeisen und schleuderte es wütend davon. Dann stemmte er sich an der Grubenwand in die Höhe, aber als er das verletzte Bein belastete, schoss ein glühendes Stechen durch den Schenkel. Rennen können würde er damit nicht; wahrscheinlich konnte er sich schon glücklich schätzen, wenn es ihm gelänge, seinem Gefängnis zu entkommen.
Die Sorge um die Menschen in Gutenauen aber verlieh ihm immense Kräfte. Zuerst warf er sein Gepäck hinaus, hing sich den Sack mit den Artefakten auf den Rücken und krallte sich in die Wurzeln, die aus dem Erdreich ragten. Keuchend zog er sich nach oben. Mit letzter Kraft schwang er sich über den Rand und fiel schwer atmend ins Laub.
In Zukunft werde ich besser auf den Untergrund achten, auf dem ich mich bewege, dachte er. Nach einer Weile kroch er zum Waldrand und wusste schon wegen der frischen Luft, die der Frühlingswind herbeitrug, dass die Horden fort waren. Das Ackerland war verlassen.
Eine große schwarze Rauchsäule, die am Horizont stand und die Form einer Gewitterwolke hatte, verriet sie. Tungdil rapppelte sich auf, nahm den Rucksack an sich und marschierte los, Dreck und trockenes Laub aus den Haaren schüttelnd.
Sein Hass und seine Wut verdrängten die Schmerzen in seinem Bein; sie beflügelten ihn, und auf einmal konnte er doch rennen. Wenn er die Gutenauener wegen seiner Unachtsamkeit nicht hatte warnen können, so wollte er ihnen wenigstens beistehen.
Die Warnungen, die ihm sein Verstand einflüsterte, prallten an seiner Sturheit ab. Tungdil konnte nichts davon abbringen, die Siedlung zu erreichen; der nicht enden wollende Qualm peitschte ihn an.
Am Nachmittag traf er nass geschwitzt auf dem Hügel über dem Großdorf ein.
Gutenauen stand in Flammen. In den Holzpalisaden klafften Breschen von mehreren Schritt Breite, an zwei weiteren Stellen waren sie weggebrannt. Überall lagen die verstümmelten Körper und Gliedmaßen der Verteidiger umher.
Er entdeckte die Überreste der Söldner, ihre Köpfe steckten auf den eigenen Speeren. Mit gebrochenem Blick starrten sie von den Holztürmen auf das Brandinferno, das Gutenauen unaufhaltsam in einen Haufen schwarzer Ruinen verwandelte.
Tungdil hörte keine Hilfeschreie, keine Befehle, um das Löschen des Feuers zu koordinieren und die verbliebenen Häuser zu retten. Alles, was er wahrnahm, was das laute Knistern der Flammen, das Knacken des brennenden Holzes und das Rumpeln
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