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Die Zwerge

Die Zwerge

Titel: Die Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Gestalt aufmerksam. Sie blieb stehen.
    Tungdil konnte sie nicht mehr klar erkennen, für ihn war sie nur ein verschwommener Schatten. »Vraccas sei mit Euch«, bekam er noch über die Lippen, dann stürzte er vornüber in den Matsch und schaffte es nicht einmal mehr, die Arme zu heben, um den Sturz abzufangen.
    »Opatja!«, rief die Frau durchdringend und stellte ihre Last ab. »Komm heraus, schnell!«
    Schritte näherten sich ihm, er wurde auf den Rücken gerollt.
    »Fieber«, sagte ein verformtes, undeutliches Gesicht, und die Stimme hallte laut in seinen Ohren. Jemand machte sich an seinem Bein zu schaffen. »Oha, Wundbrand. Bringt ihn vorsichtig in die Scheune.« Er wurde angehoben und schwebte. »Er braucht Kräuteraufgüsse.«
    »Was ist das?«, fragte eine Kinderstimme. »So was habe ich noch nie gesehen.«
    »Es ist ein Unterirdischer«, antwortete eine Frau.
    »Aber er läuft doch auf der Erde. Wieso heißt er dann …«
    »Geh ins Haus, Jemta, und nimm deine Geschwister mit«, wies eine ungeduldige Männerstimme das Mädchen an.
    Tungdil spürte Wärme, roch Heu und Stroh und hörte Kühe muhen. Der Regen hörte auf, es wurde dunkel um ihn herum. »Gutenauen«, sagte er schwach. »Die Orks haben Gutenauen vernichtet.«
    »Was hat er gesagt?« Die Frau klang aufgeschreckt.
    »Er fiebert, gib nichts drauf«, meinte der Mann. »Da, schau. Er ist in eine Wolfsfalle geraten, oder es hat ihn ein Breitmaulork gebissen.« Vielstimmiges Lachen erklang.
    Der Zwerg fasste nach dem Arm des Mannes. »Ich mag Fieber haben, aber ich erinnere mich ganz genau. Sie kommen bald zu euch«, versuchte er, die Bewohner zu warnen. »Sie ziehen nach Westen, Süden und Osten, drei Sippen, dreihundert Orks …«
    Schnelle Schritte näherten sich. »Hier ist der Kräutersud«, meldete eine Mädchenstimme. »Oh, so sieht ein Unterirdischer aus!«
    »Ava, geh zu deinen Geschwistern«, kam die bekannte Anweisung, und im nächsten Augenblick kam es dem Zwerg so vor, als tauchten sie sein Bein in siedendes Öl. Er schrie auf, und die Welt wurde schwarz.
     
    *
     
    »… aber gar keinen langen Bart, wie Großvater es immer erzählt«, hörte er wieder die Mädchenstimme, die dieses Mal enttäuscht klang. »Vaters Gestrüpp ist dichter. Aber das sieht aus wie … kratzige Wolle.«
    »Ob er Gold und Diamanten dabei hat?« Jemand kroch näher an ihn heran. »Großmutter erzählt in den Märchen immer, dass sie sehr reich sein sollen.«
    »Komm zurück! Du kannst ihn nicht einfach durchsuchen, das gehört sich nicht!«, fauchte das Mädchen.
    Tungdil schlug die Augen auf. Sofort hörte er Kinder kreischen, Stroh raschelte, sie rutschten hastig von ihm weg. Er richtete seinen Oberkörper auf und schaute sich um.
    Neun Kinder saßen um ihn herum; ihr Alter reichte von vier bis vierzehn Zyklen, und sie schauten ihn neugierig und ein bisschen ängstlich zugleich an. Sie trugen einfache Kleider, nichts, das mehr als einen Münzling kostete.
    Sein Bein war verbunden und pochte immer noch, aber die Schmerzen waren verschwunden, und seine Stirn glühte nicht mehr. Man hatte sich gut um ihn gesorgt.
    »Vraccas sei mit euch«, grüßte er sie. »Wo bin ich, und wer hat mich gepflegt?«
    »Er redet wie wir«, staunte ein Rotschopf mit abstehenden Ohren.
    Das älteste Mädchen, das seine brünetten Haare zu zwei Zöpfen geflochten hatte, grinste breit. »Natürlich redet er wie wir, was hast du denn gedacht?« Sie nickte ihm zu. »Ich bin Ava. Meine Mutter hat dich vor fünf Umläufen gesehen, als du in den Dreck gefallen bist. Opatja und die anderen haben sich um dich gekümmert.« Sie schickte ein blondes Mädchen namens Jemta, die Erwachsenen zu holen. »Geht es dir gut? Hast du Hunger?«
    »Fünf Umläufe?« Er hatte geglaubt, nur kurz eingeschlafen zu sein. Sein Bauch grummelte laut. »Ja, ich glaube, ich habe Hunger. Und Durst.« Er lächelte, weil ihn die Schar an sein eigenes Zuhause, an Frala, Sunja und die kleine Ikana erinnerte. »Ihr seht mir naseweis aus.« Damit löste er eine Flut von Fragen aus, die sich nicht mehr aufhalten ließ.
    »Aus welchem Zwergenreich kommst du?«
    »Bist du reich?«
    »Hast du Gold und Diamanten dabei?«
    »Wie viele Orks hast du schon getötet?«
    »Seid ihr alle so klein, oder gibt es größere als dich?«
    »Könnt ihr Felsen mit der bloßen Hand zerschmettern?«
    »Warum ist dein Bart nur so kurz?«
    »Habt ihr mehrere Namen und …«
    »Halt, halt!« Tungdil lachte. »Nicht so schnell auf einmal. Wir fangen

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