Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
Vom Netzwerk:
und
verletzlich. Seine Stimme senkte sich zu einem drängenden Flüstern, und
er fuhr fort: »Ohne Übertreibung kann ich sagen, daß es mir größere
Wonne bereiten würde, als der Mann Unsterblichkeit zu erlangen, der das
Geheimnis des Großen Theriak wiederentdeckt hat, denn als der Kalif,
der die Medina Azahara errichten ließ. Dies sind nur leblose Steine,
deren Sinn es ist, die Mächtigen zu beeindrucken und die Schwachen in
ihre Schranken zu verweisen. Eines Tages wird ein anderer Kalif sie
zerstören, oder sie zerfallen von selbst zu Staub. Aber der Große
Theriak gäbe uns die Kraft, das Geschenk zu erhalten, das nur Allah in
seiner Macht verleihen kann, jenen zarten Atemhauch, dessen Geheimnis
alle Philosophen der Welt bisher nicht zu entschlüsseln vermochten. Was
könnte eine größere Leistung sein, als die Menschen von der Gefahr des
tödlichen Schlangengiftes zu befreien?«
    »Wie unerforschlich sind die Wege des Herren, o Herrscher der
Gläubigen!« stimmte ihm Ya'kub feierlich zu. »Ihr bringt mit
unendlicher Weisheit und unerreichter Eleganz einen Gedanken zum
Ausdruck, den mir mein Sohn erst unlängst mit schlichteren Worten
mitteilte.«
    »Interessiert sich Da'ud für die Wissenschaften?«
    »Ganz gewiß. Seine religiösen und weltlichen Studien hat er
bereits abgeschlossen, und zu denen gehört auch das Studium der
Sprachen und der Naturwissenschaften sowie die beste Ausbildung in der
Kunst der Medizin, die man in Córdoba genießen kann«, erklärte Ya'kub
mit väterlichem Stolz. »Ich hatte die Hoffnung gehegt, er würde seine
Studien des Hebräischen und der jüdischen Religion und Tradition
fortsetzen und einmal die Rolle des spirituellen Oberhauptes und
Mentors unserer Gemeinschaft übernehmen, aber er scheint eher geneigt,
die Geheimnisse der Natur zu erforschen, um die Leiden der Menschen zu
lindern. Obwohl ich sein Vater bin und eine gewisse Autorität über ihn
besitze, sehe ich mich doch machtlos angesichts dessen, was ich als
eine echte Berufung erkenne. Und außerdem würde ich es als unrecht
ansehen, seinen Ehrgeiz zu untergraben, da er doch nach dem Höchsten
strebt.«
    »Aus Euch spricht die Weisheit, Abu Da'ud.« Abd ar-Rahman ließ
Ya'kubs Arm los und erlangte sein erhabenes Gleichgewicht wieder. Mit
militärischer Knappheit befahl er nun: »Dein Sohn soll morgen hier
erscheinen. Ich möchte allein mit ihm reden. Und ich befehle dir, den
Inhalt unserer Unterhaltung niemandem außer deinem Sohn zu enthüllen.«
    »Ihr habt mein feierliches Wort, daß nichts von dem, was
zwischen Eurem erhabenen Hause und meiner bescheidenen Hütte geschieht,
nach außen dringen wird«, erwiderte Ya'kub, dessen stille Augen
keinerlei Gefühlsregung verrieten.
    »So sei es«, bestätigte der Kalif, während er sich schon
abwandte und zu seinen anderen Gästen zurückkehrte. Er mischte sich
noch eine Weile unter die Menge, beobachtete Freunde und Rivalen mit
gleichermaßen scharfem Blick, bis ihn die Sehnsucht nach der weichen
und tröstlichen Umarmung Zahras übermannte. Er gab einer der
Palastwachen noch einen knappen Befehl und zog sich dann still zurück,
überließ die anderen ihrem Gelage.

2
    A bd ar-Rahman wirkte erheblich jünger als
seine fünfzig Lenze, als er am nächsten Morgen ohne Begleitung in das
abgeschiedene Gemach schritt, in das er Da'ud ben Ya‘kub ibn Yatom zu
führen befohlen hatte. Er schritt kraftvoll und energiegeladen aus,
seine Bewegungen waren rasch, sogar ein wenig abrupt, und es umgab ihn
eine Aura der Macht und Autorität, die bedingungslosen Gehorsam
erzwang. Sein Hochgefühl des vergangenen Abends war noch durch die
raffinierte Sinnlichkeit der wunderschönen Zahra jenseits aller
Erwartungen gekrönt worden. Sie hatte seiner Männlichkeit eine
jugendliche Kraft geschenkt, die er wiederzuerlangen sich nicht einmal
in seinen kühnsten Träumen erhofft hatte. So war er nun ein Herrscher
auf dem Gipfel seiner Herrlichkeit, als er den schlanken jungen Mann
musterte, der sich vor ihm zu Boden geworfen hatte.
    Die Ähnlichkeit mit dem Vater war erstaunlich: die gleichen
stillen, olivenförmigen Augen und fein geschwungenen Brauen, die
gleichen schmalen Wangen, das gleiche feste Kinn, die leicht vorragende
Unterlippe, wie man sie bei den meisten entschlossenen Menschen findet.
Wie sein Vater war auch Da'ud mit schlichter Eleganz gekleidet, und
seine Haltung spiegelte die gleiche würdevolle Demut wider. Doch schon
nach dem ersten Austausch höflicher Floskeln spürte Abd

Weitere Kostenlose Bücher