Die Zypressen von Cordoba
christlichen Herrscher von Leon geliebäugelt hatten,
hatte er sich mit der unerbittlichen Belagerung ihrer Stadt im Jahre
947 gefügig gemacht. Also hatten sich ihm auch die oberen Landstriche
gebeugt. Nur die völlige Unterwerfung der christlichen Prinzen war noch
nicht erzwungen …
Nachdem Mustapha seine Handreichungen beendet hatte, ließ sich
Abd ar-Rahman in das heiße, duftende Wasser gleiten und bedachte noch
einmal mit Freude die Nachricht, die man ihm am Morgen zugetragen
hatte. Sein mächtiger christlicher Feind im Norden, Ramiro II. von
Leon, hatte es mit einer Rebellion der Kastilianer zu tun bekommen, die
ihm ihre Unabhängigkeit abringen wollten. Nichts hätte sich besser zu
seinen eigenen ehrgeizigen Plänen fügen können. Jetzt brauchte er nur
noch abzuwarten, bis die Christen durch ihre internen Streitereien so
sehr geschwächt waren, daß ihnen gar keine andere Wahl mehr blieb, als
ihm Tribut zu zollen. Dann wäre ihm ganz Spanien untertan. Wie süß
würde die Rache schmecken an jenem Tag, da Ramiro vor ihm auf die Knie
sank! Erst dann wäre die Schmach vergolten, die ihm der christliche
Prinz vor einem Jahr in der Schlacht von Simancas angetan hatte.
Abd ar-Rahman stieg die Schamröte ins Antlitz, als die immer
noch frische Erinnerung an diese Begebenheit erneut seinen Stolz
zutiefst verletzte. Wie war es möglich, daß er, der unbesiegbare
Befehlshaber der Militärmacht von al-Andalus, er, der entschlossene
Heerführer, dem es gelungen war, so verschiedene, ja sogar
rivalisierende Kräfte zu einer starken, geeinten Armee
zusammenzuschließen, die jegliche äußere Bedrohung abschreckte oder
unterdrückte, er, der aufgeklärte Staatsmann, der die
unterschiedlichsten Völker in seinem Herrschaftsbereich ermutigt hatte,
zum Wohlstand und zur kulturellen Blüte seines Reichs beizutragen, er,
Abd ar-Rahman III. al-Nasir, für seine Männlichkeit und seine Eroberung
von Männern und Frauen gleichermaßen berühmt, wie war es möglich, daß
er ohnmächtig war, wenn es darum ging, seine uralte Kinderangst vor
Vergiftung durch einen Schlangenbiß zu besiegen? Seit er als
Dreijähriger den qualvollen Tod seines jüngeren Bruders miterlebt
hatte, den eine giftige Natter im Palastgarten gebissen hatte, als ein
maulender Gärtner für kurze Zeit die Aufmerksamkeit des Eunuchen
abgelenkt hatte, der die Kinder eigentlich hätte beaufsichtigen sollen,
seither hatte er sich von dieser lähmenden Furcht nicht frei machen
können. Beinahe fünfzig Jahre waren inzwischen vergangen, aber die
Erinnerung an das winzige Lebewesen, das schutzlos dem tosenden Fieber
ausgesetzt war, das ihn verzehrt hatte, war nie verblaßt. Das Grauen
hatte sich für immer in seine Seele gegraben, spukte ihm nachts durch
die Träume, beunruhigte ihn, wenn bei Tag der Gedanke daran wieder in
ihm aufstieg. Aber niemals waren die Konsequenzen so katastrophal
gewesen wie in der Schlacht von Simancas.
Er war von Córdoba ausgezogen, um Ramiro mit einer Streitmacht
herauszufordern, die wesentlich mächtiger als üblich war. Am Vorabend
der Entscheidungsschlacht war er von einem Lagerfeuer zum anderen
geschritten, in einem letzten, verzweifelten Versuch, die schwindende
Moral seiner Truppe zu stärken. Die Männer, die um die tanzenden
Flammen geduckt saßen, hatten nur einen einzigen Gedanken: wie sie sich
vor dem schneidenden Wind schützen könnten, der über die Meseta gefegt
kam und in Böen über die Anhöhe bei der Festung von Simancas wehte, auf
der sie ihr Lager aufgeschlagen hatten. Sie schlugen sich frierend die
Arme um den Körper, summten dabei traurige, an- und abschwellende
Melodien, die vom Verlangen nach den weichen, warmen Nächten
Andalusiens durchzogen waren, das Welten von diesem unwirtlichen
nördlichen Landstrich entfernt zu liegen schien.
Die Nacht war schon weit fortgeschritten gewesen, als er zu
seinem Zelt zurückkehrte und sich auf die weichen Teppiche bettete.
Doch trotz der körperlichen Erschöpfung des Tages und der nächtlichen
Anstrengungen zur Hebung der Moral seiner Truppen schlief er sehr
unruhig. Und dann stellte sich sein ständig wiederkehrender Alptraum
erneut ein. Überdeutlich, lebendig, furchterregend lebensnah, so kam
die grünlich schwarze Schlange auf ihn zu, glitt, schlängelte sich,
zischte, schnellte ihren Giftzahn zu seinem Hals, während er schlafend
in seinem Zelt auf einem seidenen Teppich lag … Seine Schreie
waren so furchterregend gewesen, daß Mustapha, der wie ein Wachhund
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