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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
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niemand darf den Gegenstand Eurer Forschung wissen. Ich habe Euch
für diese Aufgabe nicht nur wegen Eurer erwiesenen Gelehrsamkeit und
wegen Eures besonderen Interesses an diesem Thema ausgewählt, sondern
auch, weil Ihr, der Sohn des erhabensten Anführers der Juden von
Córdoba, sicherlich gelernt habt, die Toleranz zu schätzen, die ich
Eurem Volke erweise, dessen Sicherheit und Wohlbefinden einzig und
allein von meinem Wohlwollen abhängt. Ich weiß also, daß ich mich
darauf verlassen kann, daß Ihr Eure Arbeit vor neugierigen Augen
verborgen haltet und mir die erwünschten Ergebnisse binnen kürzester
Zeit bringen werdet.«
    Da'ud war keineswegs verstört von der Andeutung des Kalifen,
daß alle Juden von Córdoba leiden müßten, falls er sein Vertrauen
mißbrauchte. Daran waren sie im muslimischen Spanien gewöhnt, und die
Mitglieder seiner Familie – und alle Juden – hatten
damit zu leben gelernt, denn nirgendwo, weder in den christlichen
Königreichen noch im Rest der muslimischen Welt, lebte man als Jude in
größerer Sicherheit als hier in al-Andalus unter der relativ
aufgeklärten Herrschaft der Omaijaden.
    Abd ar-Rahman begab sich nun mit lässigem Schritt zum Fenster
und winkte Da'ud zu sich, forderte ihn mit einer Handbewegung auf,
durch das unterste Sechseck des netzfeinen Marmorfensters zu blicken.
Unten lief eine Abordnung der Palastwache vorüber. Auf deren Speeren
aufgespießt steckten Menschenköpfe, und das frische Blut, das noch
heraustroff, hinterließ im ockerfarbenen Staub rostrote Spuren. »So
verfährt Kalif Abd ar-Rahman al-Nasir, Herrscher der Gläubigen,
Verteidiger der Religion Gottes, mit Verrätern seines Reiches!« schrien
die Wachmänner, während sie sich daran machten, den Bürgern von Córdoba
diesen schrecklichen Anblick ringsum zu bieten. Da'ud merkte, daß die
Augen des Kalifen auf ihn geheftet waren, aber er zuckte nicht.
»Erkennt Ihr die Gesichter?« fragte ihn Abd ar-Rahman mit leiser
Stimme. Aber er wartete die Antwort nicht ab. »Dies sind die Köpfe
dreier meiner Leibärzte bei Hof, dreier Narren, die …« Er
unterbrach sich abrupt. Er wußte zu wenig über diesen jungen Mann, als
daß er es wagen könnte, ihm den Zwischenfall von Simancas zu enthüllen.
»… die meine Befehle mißachteten.«
    Da'ud spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich, wie seine
Hände eiskalt und vor Angstschweiß klamm wurden. Wie naiv und
gutgläubig er doch gewesen war, so geblendet von der Ehre, die ihm
zuteil wurde, und von den Zukunftsaussichten, die sich ihm eröffneten,
daß er gar nicht überlegt hatte, was noch hinter dem verlockenden
Angebot des Kalifen steckte. Das hatte er nun von seinem übersteigerten
Selbstbewußtsein und seinem überzogenen Ehrgeiz, machte er sich bittere
Vorwürfe, ganz zu schweigen von seinem Mangel an Erfahrung mit der
krassen Wirklichkeit der nackten Macht. Dieser brutale Absturz in eine
grausame und fremde Welt hatte ihn völlig unvorbereitet getroffen. Er
hatte immer nur das beschauliche Leben des Lernens gekannt, war von
Menschen umgeben und geschützt gewesen, die nach nichts anderem
trachteten, als ihm bei seinen Unternehmungen zu helfen und Ermutigung
zu schenken. Ihm war Abd ar-Rahmans Vorschlag nur als eine reibungslose
und ganz natürliche Fortsetzung dieses Weges erschienen, als das
Angebot eines geschützten, privilegierten Bereichs fern von allen
Machtspielen, vom schmutzigen Wechselspiel der Interessen, von
Verdacht, Intrigen und niedrigem Verrat. Eine gefährliche Illusion, das
wurde ihm nun klar. Bei Hof hatte alles seinen Preis. Wie leicht hatte
er sich täuschen lassen! Und doch, versuchte er sich zu rechtfertigen,
hätte auch ein Mann mit weit feinerem Gespür wohl das Ausmaß der Gefahr
nicht erkannt, die hinter der Gunst des Kalifen lauerte. Welche Art des
Ungehorsams hatte den Heilkundigen eine solch grausame Strafe beschert?
Und was lag hinter Abd ar-Rahmans übertriebenem Interesse am Großen
Theriak? Die Diskretion, die sowohl er als auch sein Vater hatten
geloben müssen, ließ darauf schließen, daß ihm ein weit mächtigeres
Motiv als nur wissenschaftliche Neugier oder Ehrgeiz zugrunde lag. Es
mußte sich um ein lebenswichtiges Interesse handeln. Warum war dann die
Wahl auf einen unerprobten und unbekannten Gelehrten wie ihn gefallen?
Doch all diese Überlegungen verblaßten vor der einen, fatalen Frage:
Was hieß ›binnen kürzester Zeit‹?
    Alle Sinne Da'uds waren nun wach und höchst konzentriert. Ganz
streng

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