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Diebe

Diebe

Titel: Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Gatti
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Arm und hält ihn zurück, damit er nicht einfach hineinplatzt. Die Glocke hat geläutet, Fay müsste also an der Tür sein oder – falls sie beschäftigt ist – wenigstens eines der Kinder.
    »Was soll’n der Quatsch, Baz?« Seine Stimme ist ein Zischen in der Dunkelheit.
    »Wahrscheinlich ist sie beschäftigt.«
    »Ha, wenn sie sieht, was wir dabeihaben, ist sie erst mal mit uns beschäftigt.«

3
    Aber ausnahmsweise verzichtet Demi auf einen großen Auftritt. Er ergreift die Türklinke, stellt fest, dass nicht abgeschlossen ist, und macht die Tür einfach auf. Licht flutet in die Dunkelheit, in der die zwei stehen. Plötzlich hören sie einen heftigen Klatscher; jemand wurde geschlagen.
    »Mit wem hast du gesprochen? Ich frag dich nur einmal.« Fays Stimme klingt nach eiskaltem Zorn. Das Kind – Baz kann nicht erkennen, welches – fängt an zu schluchzen.
    Das ist einer der schlechten Momente, wo alles Mögliche passieren kann, nur nichts Gutes. Baz rührt sich nicht von der Stelle, Demi ebenso. Noch halb im Dunkeln, stehen die beiden da. Sie sehen bloß einen schmalen Ausschnitt des Raumes: Fays rothaarigen Hinterkopf und ganz kurz das schluchzende Kind. Baz fällt noch etwas anderes auf: der scharfe Geruch einer Zigarre. Außer Fay und den Kindern ist noch jemand da – jemand, der Fay möglicherweise dazu bringt, heftiger zuzuschlagen als sonst. Baz fragt sich, mit wem das Kind gesprochen hat. Vielleicht mit einem Polizisten.
    Dann eine weitere Stimme – natürlich Raoul. Nur er kann so dämlich sein, in so einer Situation den Mund aufzumachen. »Fay, er war die meiste Zeit bei mir. Hab nicht gesehn, dass er mit jemand gesprochen hat, bloß mit so ’nem Typen. Jung, kein Polizist. Kommt wohl aus der guten Gegend. Schick und mit tollen Klamotten. Ich hab gedacht, vielleicht ...«
    »Du siehst eh die halbe Zeit nix!«, faucht Fay. Dann, in barschem Ton, aber nicht zu Raoul, sondern zu dem Mann, der sich außerhalb des Blickfelds von Baz und Demi befindet: »Wenn Sie einen wolln, nehmen Sie den da. Hat sowieso bloß zum Füttern getaugt. Nehmen Sie’n mit.«
    Was sagt Fay da zu diesem Mann?! Baz hält den Atem an. Jetzt weiß sie, wer sich noch in dem Raum aufhält, kein Wort spricht und einen Stumpen raucht. Sie hat ihn schon öfter gesehen – Onkel Toni nennt er sich, aber Baz glaubt nicht, dass er der Onkel von jemandem ist. Er ist bloß ein Stellvertreter des Mannes, dem alles im Barrio gehört: Señor Moro. Señor Moro selbst macht natürlich keine Hausbesuche, er schickt seine Schattenmänner. Aber dass ein Mann hierherkommt, um ein Kind mitzunehmen, das hat es noch nie gegeben, jedenfalls nicht so, vor aller Augen, als würde es auf sie alle eh nicht ankommen.
    Baz und Demi haben immer geglaubt, Fays Geschäfte mit Señor Moro würden sich ausschließlich um Geld drehen. Noch nie war die Rede davon, dass einer seiner Leute vorbeikommt und von Fay verlangt, ein Kind herzugeben. Noch nie.
    »Natürlich«, die Stimme des Mannes klingt verständig, fast als tue er Fay und dem Kind einen Gefallen, »der Kleine kann mitkommen. Was sagst du? Du kommst mit Onkel Toni mit? Hier hast du was.« Anscheinend gibt er dem Kind etwas, denn es hört auf zu schniefen.
    Für Baz und Demi wäre es jetzt am schlausten, sich ans andere Ende des Flurs zu verkrümeln, aus dem Fenster zu steigen und aufs Dach zu klettern. Sie könnten dort warten, bis die Lage sich beruhigt hat, und dann einfach hineingehen, aber bevor Baz Demi wieder am Arm packen kann, schiebt dieser die Tür ein Stückchen weiter auf, gerade so viel, dass die beiden sehen, wie sich der Mann über den kleinen Jungen beugt. Jetzt erkennt Baz auch, wer es ist – der Junge mit dem komischen Namen: Paquetito.
    Den Namen hat Raoul ihm gegeben, denn als der Kleine vor kaum mehr als ein paar Wochen hier ankam, hatte er ein verschnürtes Päckchen dabei. Niemand durfte das Päckchen anfassen; der Junge nahm es immer wieder in die Hand und drückte es an sich. Eines Nachts nahm Fay es ihm weg, um nachzuschauen, ob etwas drin war, um das sie sich zu kümmern hätte. Es waren bloß eine Holzpfeife, ein zerschlissener Stoffhut, wie ihn die Leute aus dem Hügelland tragen, und ein paar Fotografien. Auf den Bildern war eine Indianerin zu sehen, nichts Besonderes, sagte Fay. Baz vermutete, dass die Bilder für Paquetito trotzdem was Besonderes waren, vielleicht zeigten sie seine Mutter oder Schwester. Niemand kümmerte sich groß um den kleinen Jungen. Niemand außer

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