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Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Titel: Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Offutt
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Der große brutale Kerl machte sich
nur einen Spaß daraus, einen kleinen, verirrten Jungen zu
erschrecken.«
    Oder vielleicht ihn zu fangen und zu v-verkaufen, dachte
Mignureal. Sie schluckte und wünschte sich, sie müßte
das alles nicht erleben. Selbst seine Stimme hatte sich
verändert. Er war fast wieder der kleine Junge, der vor dem
Monster floh und sich so sehr fürchtete, daß er sich
naß machte.
    »Entweder das, oder er hoffte, mich zu erwischen und
verkaufen zu können«, sagte Hanse wie ein Echo ihrer
eigenen Gedanken, so daß ihr Kopf herumfuhr und sie ihn
erstaunt ansah. »Seit damals habe ich mir das immer wieder
überlegt. Jedenfalls flitzte ich um die Bude herum, und auf der
Rückseite war es nur ein Zelt. Verblichene, alte grüne und
braune Planen, die sich nach oben und unten erstreckten. Ich kroch
darunter weg in die Dunkelheit und bewegte mich drei Tage lang
überhaupt nicht mehr.«
    »Hanse…«
    »Oh, ich weiß, daß es mir nur wie drei Tage
erschien«, sagte er, weil er mißverstand, warum sie seinen
Namen mit dieser leisen aber gehetzten Stimme sagte. »Es ist
vielleicht eine Stunde gewesen. Ich war verängstigt. Völlig
verängstigt. Ich konnte mein Herz klopfen und mein Blut rauschen
hören. Ich schätze, daß ungefähr eine Stunde
verging, während der ich zu verängstigt war, um mich auch
nur zu rühren. Ich wußte, daß das Monster in jeder
Minute, jedem Moment oder jeder Sekunde das Zelt aufreißen
konnte, und dann würde ich im hellen Licht daliegen, so hilflos
wie eine Eidechse ohne Beine, und er würde mich erwischen.
    Aber das tat er nicht. Wahrscheinlich hatte er mich schon zwei
Minuten, nachdem ich um die Ecke des Marktzeltes verschwunden war und
er mich aus den Augen verloren hatte, bereits wieder vergessen. Nach
einer langen Zeit nahm ich dann bewußt wahr, was ich die ganze
Zeit gerochen hatte. Ich hatte es lange gar nicht bemerkt. Ich hatte
nur versucht zu lauschen, aber lediglich mein Herz schlagen und das
Blut durch meinen Kopf rauschen gehört. Schließlich nahm
ich den Geruch wahr, den Duft, und dann sah ich es.«
    Während Mignureal lautlos weinte und sich wünschte, sie
könnte ihn in die Arme nehmen, versuchte sie, ihr Pferd
näher zu ihm zu lenken, damit sich wenigstens ihre Beine
berühren könnten, als er sie wieder überraschte.
    »Dann sah ich es«, wiederholte er, und jetzt kicherte er
tatsächlich in sich hinein. »Es war in einer kleinen gelben
Schüssel, einer kaputten mit einem krummen Rand. Ein dunkler
Streifen lief wellenförmig um sie herum, aber es war dunkel,
deshalb konnte ich die Farbe nicht erkennen. Die Schüssel
enthielt Essen! Ein Festmahl hatte dort die ganze Zeit auf mich
gewartet! Nur ein paar Zentimeter von meiner Nase entfernt, und ich
war viel zu verängstigt gewesen, um es zu sehen oder zu
riechen!«
    Mignureal sah, wie er den Kopf schüttelte, und der
weiße Stoff bauschte und faltete sich bei jeder Bewegung.
Abgesehen von seiner Nasenspitze verbarg die Kapuze sein Gesicht.
    »Es war ein Festmahl«, sagte er. »Ein Festmahl! Ich brauchte höchstens zwei Sekunden, um alles
herunterzuschlingen. Vielleicht drei. Dann zwängte ich mich
unter dem Zelt hervor und ging… ging fort. Zurück auf den
Markt, zurück in den Wald aus Beinen. Ungefähr eine Minute
später rief eine kleine, wirklich magere Frau nach mir. Sie
hatte ein Gesicht, das wie eine verschrumpelte Dattel aussah.
    ›Hey, Junge!‹ rief sie. ›Hey!‹
    Ich dachte, wie häßlich sie war, und wußte,
daß sie mich greifen würde, weil ich eine Feige gestohlen
und einem anderen sein Festmahl weggegessen hatte, und ich fing an zu
rennen und prallte genau gegen eine fette Frau in langen, langen
Kleidern. Kleider in ungefähr sechzehn verschiedenen Farben
– natürlich eine S’danzo. Ich wurde direkt in die
Hände der anderen Frau zurückgeschleudert. Sie beugte sich
aus ihrer Bude heraus über den Tisch nach unten. In ihrer Hand
hielt sie ein wunderbares kleines Johannisbeerplätzchen. Deshalb
hatte sie nach mir gerufen, sie wollte dem Bengel eine
Süßigkeit geben! Ich schlang das Plätzchen herunter,
und dann fiel mir wieder ein, daß ich gedacht hatte, sie sei
ein Monster oder eine Hexe, die mich verfolgte, aber wie nett sie
doch war! Da fühlte ich mich schlecht, und ich begann zu weinen.
Ich rannte weg. Ich habe mich nicht einmal bei ihr bedankt. Ich
glaube, an diesem Tag habe ich gelernt, was Scham ist. Neben einigen
anderen Dingen.«
    Eine endlose Minute oder etwas länger

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