Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
Kapitel 1
8. Juli 1497, Hafen Rastello bei Lissabon
D as wird er mir büßen. Bezahlen wird er dafür bis an sein Lebensende.« Mit zusammengebissenen Zähnen stieß er die Worte hervor, einem Krächzen gleich. Doch niemand schenkte dem Zorn des Mannes Beachtung, nicht einmal sein nächster Nachbar.
Inmitten der Menschenmenge, die gekommen war, um dem Unternehmen ein gutes Gelingen zu wünschen, standen zwei Männer in dunklen Umhängen, die sie trotz der flirrenden Hitze dieses Sommermorgens anbehielten. Die Kleidung des Älteren, dessen Kiefer vor Erregung heftig mahlten, verriet den hohen Rang. Umhang und Wams waren aus bestem Mailänder Samt, reich bestickt und mit goldenen Bordüren eingefasst, das Barett mit edlen Steinen besetzt. An den Füßen trug er Stiefel aus weichem Kalbsleder, darunter Seidenstrumpfhosen. Der Ring an seiner rechten Hand zeigte ein Wappen mit einer Krone und sieben Punkten, das Zeichen des Grafenstandes. Die Hand war zur Faust geballt.
»Ich kann es noch immer nicht glauben«, presste der reich Gekleidete hervor und stieß seinem Nachbarn wütend den Ellbogen in die Seite. Der andere zuckte zusammen und sah den Älteren, der ihn um eine ganze Kopflänge überragte, von unten herauf an.
»Ja. Es ist wirklich unglaublich«, bestätigte der Jüngere, den sein Benehmen als Untergebenen auswies. Auch er war gut gekleidet, wenn auch weniger kostbar, doch hatte er von allem Zierrat ein wenig zu viel angelegt, so dass sein Aufzug eher protzig als elegant wirkte. In den falschen Steinen, die die Wamsärmel zierten, spielte zwar die Sonne, doch die Steine funkelten nicht wie Diamanten, sondern glitzerten nur wie Glas. Seine zweifarbige Strumpfhose schlug an manchen Stellen Falten und die übergroße Schamkapsel ließ sich auf den ersten Blick als Täuschung entlarven. Trotzdem spreizte sich der Mann wie ein Gockel nach allen Seiten und warf den jungen Mädchen und Burschen ohne Unterschied schmachtende Blicke zu. Während die Burschen wütend ob ihrer angekratzten Ehre die Faust ballten, erwiderten die Mädchen seine Blicke und lachten, doch nicht aus Koketterie, sondern aus Spott, aber davon merkte der selbstverliebte Mann nichts. Im Gegenteil. Er warf sich in die Brust, strich liebevoll über seinen Umhang, der an einigen Stellen schon ein wenig abgewetzt wirkte, und setzte einen ernsthaften Gesichtsausdruck auf.
Noch einmal wiederholte er mit wichtiger Miene: »Ja. Es ist eine Unverschämtheit. Ein Fehlurteil, das den König viel Geld kosten wird. Es wird kommen, wie Ihr es vorausgesehen habt, Dom Pedro de Corvilhas. Selbst der Hofastronom hat verlauten lassen, dass die Sterne nicht gut stehen. Jeder andere hätte das Unternehmen ...«
Seine Worte wurden vom plötzlich aufwallenden Lärm der Menge verschluckt. Die beiden Männer reckten die Hälse, um besser sehen zu können. Eben wurden zehn heruntergekommene, aber muskelbepackte Burschen, die mit schweren Ketten aneinander gefesselt waren, unter Peitschenhieben auf eines der beiden großen Segelschiffe getrieben, welche nebeneinander am Kai lagen. Das größere der beiden, die Sao Gabriel, hatte mit Eisen verstärkte Planken und einige Geschütze an Bord. Hoch oben am Mast flatterte die Fahne des Königreichs Portugal. Die Sao Rafael war nur wenig kleiner, doch auch sie sah nicht aus wie ein Handelsschiff. Schwer bewaffnete Männer in Kettenhemden und mit scharfen Messern am Gürtel nahmen die Gefesselten mit lauten Rufen in Empfang.
»Er ist unerbittlich«, knurrte der Ältere bei diesem Schauspiel. »Kümmert sich nicht um die schlechten Voraussagen, kennt keine Angst vor Stürmen, Seeungeheuern und ähnlichen Katastrophen. Die Seeleute aber haben Angst. Er hat nicht viele Freiwillige gefunden, die bei ihm angeheuert haben. Aber auch das stört ihn nicht. Geht er eben in die Kerker der Stadt und heuert zum Tode Verurteilte an, die ohnehin nichts mehr zu verlieren haben.«
»Ja«, nickte der Jüngere wieder. »Vasco da Gama kann man nicht aufhalten. Besessen ist er geradezu davon, den Seeweg nach Indien zu entdecken. Doch jeder weiß, dass dieses Unternehmen misslingen muss. Seht nur die Mannschaft! Schon jetzt herrscht Unfrieden an Bord. Ich wage gar nicht daran zu denken, wie sich die Halunken bei einer Meuterei verhalten!«
Geziert fächerte er sich mit einer Hand Luft zu, seufzte theatralisch und blickte zum Himmel.
Die Menge murrte leise, als der Kapitän der Sao Gabriel den zum Tode Verurteilten die Ketten abnehmen ließ,
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