Diener des Boesen
erhalten und sie stets aufmerksam gelesen. Mehr als einmal hatte er Tusser in einem Brief für seine gute Arbeit gedankt und ihn zu den Erträgen des Gutes beglückwünscht.
Doch im letzten März hatte Tusser erfahren müssen, dass Lancaster Halstow Hall Lord Thomas Neville zur Hochzeit geschenkt hatte. Tusser war zutiefst gekränkt gewesen: Hielt der Herzog so wenig von seiner Arbeit, dass er das Anwesen ohne mit der Wimper zu zucken einfach verschenken konnte? War der Herzog insgeheim unzufrieden mit Tusser gewesen und wollte ihn nun bestrafen, indem er ihn einem neuen Herrn unterstellte, der auf dem Gutshof wohnen würde? Ein Herr, der ständig anwesend sein würde? Was für eine Vorstellung! Mit wachsender Bestürzung hatte Tusser die Nachricht des Herzogs gelesen. In Zukunft würde er auf Halstow Hall nun nicht mehr uneingeschränkt schalten und walten können… nein, irgendein adliger Dummkopf würde ihm die ganze Zeit dabei über die Schulter sehen und Unsinn von sich geben… oder womöglich mit seinem Schlachtross in vollem Galopp über die junge Saat preschen.
Ein guter Herr ist gesegnet alle Tage,
Ein schlechter Herr ist des braven Bauern Plage:
Ist trunken und faul und nicht recht gescheit,
Und bringt seinem Lehnsmann nur Kummer und Leid.
So kam es, dass Tusser grollend und unsicher zugleich Lord Thomas Neville, seine Gemahlin und ihre neugeborene Tochter im Hof des Anwesens erwartet hatte.
Doch kurz darauf hatte er wieder vor Freude und Stolz gestrahlt.
Lord Thomas Neville hatte ihn nach seiner Ankunft mit so viel Lob überschüttet, dass er ganz verlegen geworden war. Und dann hatte Lord Neville ihn ins Haus gebeten und ihm eröffnet, dass er von nun an auch noch die anderen Ländereien der Familie verwalten sollte.
Er würde der Oberste Verwalter sein! Während Tusser über den Feldweg auf die Gebäude zuging, die Halstow Hall umgaben, musste er unwillkürlich lächeln. Er wachte nun nicht mehr nur über Halstow selbst, sondern auch über die Verwalter von Nevilles Ländereien im Norden und die des Landguts in Devon, das Lancaster diesem überlassen hatte. Zugegebenermaßen bedeutete das für Tusser viel zusätzliche Arbeit. Er war dafür zuständig, Nevilles Wünsche und Anordnungen an die anderen Verwalter weiterzuleiten und in vierteljährlichen Abständen ihre Bücher zu prüfen. Doch dank dieser Arbeit konnte er nun endlich seine Talente zur vollen Entfaltung bringen.
Er konnte sogar seine Verse an die Verwalter schicken, die ihm unterstellt waren! Jeden zweiten Sonnabend setzte sich Tusser hin, ordnete seine Gedanken und schrieb in Versform seine Anweisungen nieder. Er war davon überzeugt, dass die anderen Verwalter seine Gedichte und guten Ratschläge zu schätzen wussten.
Er versuchte keinen übermäßigen Stolz ob der großen Verantwortung zu empfinden, die ihm übertragen worden war, doch vor Gott und der Heiligen Jungfrau musste er sich eingestehen, dass es ihm nicht ganz gelang.
Neville hatte Tusser nicht nur für seine Fähigkeiten gelobt und seinen Zuständigkeitsbereich ausgeweitet, sondern er erwies sich auch als klug genug, sich in Tussers Verwaltung des Landgutes nicht einzumischen. Ihm lag das Anwesen sehr am Herzen, und er wachte aufmerksam darüber, doch er ließ Tusser bei der Verwaltung freie Hand und behinderte ihn nicht bei der Ausübung seiner Pflichten.
Neville war ein guter Herr und wahrlich von Gott gesegnet. Und seine Gemahlin erst! Tusser seufzte noch einmal. Lady Margarets einnehmendes Wesen übertraf noch ihre große Schönheit, und jeden Morgen betete Tusser darum, dass es ihm vergönnt sein möge, ihr liebliches Lächeln auch an diesem Tag zu sehen.
Ja, Gott war Halstow Hall und seinen Bewohnern wahrlich wohlgesonnen.
Tusser ließ eine Wegbiegung hinter sich und sah Halstow Hall vor sich. Es war ein schöner Bau, ganz aus Stein und Ziegeln, der zwei oder drei Generationen alt war. Ursprünglich hatte er nur aus dem großen Saal mit der Holzbalkendecke und einer Galerie, mehreren Küchen und Speisekammern und einem riesigen Kellergewölbe bestanden, das sich unter dem gesamten Haus erstreckte und als Vorratsraum benutzt wurde. Doch über die Jahre hatte Lancaster zahllose Anbauten errichten lassen, obwohl er nie selbst hier gelebt hatte. Vom Ende des Saals ging nun eine Reihe von Wohngemächern ab, die es einem im Haus wohnenden Edelmann und seiner Familie gestatteten, sich vom öffentlichen Leben im Saal zurückzuziehen. Im Hof waren außerdem
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