Diener des Boesen
Ziel nicht womöglich schon erreicht hatte und der Sommer nie enden würde.
Sie wusste jedoch, dass diese glücklichen Momente nur von kurzer Dauer sein konnten. Allzu bald würden sie wieder vorbei sein. In diesem Augenblick schon näherte sich das Getrappel von Pferdehufen über die Straßen und Wege, die nach Halstow Hall führten. Vier Pferde waren es, angetrieben vom Ehrgeiz vierer Männer, die sie erneut in die tödlichen Intrigen des bevorstehenden Kampfes zwischen den Engeln des Himmels und den Dämonen der Hölle hineinziehen würden.
Margarets Augen füllten sich mit Tränen. Doch sie kämpfte dagegen an, als sie die Gestalt sah, die in der Ferne über die Felder schritt. Sie musste lächeln, als sie den Verwalter von Halstow Hall erkannte, und machte sich dann auf den Weg zum Haus zurück.
In Kürze würden Besucher eintreffen, und Margaret wollte die Gäste begrüßen.
Meister Thomas Tusser, Verwalter der Anwesen der Nevilles, ging raschen Schrittes über die Stoppelfelder, die Arme hinter dem gerade aufgerichteten Rücken verschränkt. Er war recht zufrieden. Die Ernte war ohne Zwischenfälle verlaufen: Alle Erntearbeiter, die Leibeigenen ebenso wie die bezahlten Helfer, waren jeden Tag pünktlich erschienen und hatten gute Arbeit geleistet. Das Wetter war schön gewesen, aber nicht übermäßig heiß, die Raben und Krähen hatten sich über die Felder ihrer Nachbarn hergemacht und ihre eigenen verschont, und es war kaum etwas verkommen – wie die Männer hatten auch die Frauen und Mädchen der umliegenden Dörfer sich größte Mühe gegeben und jedes noch so winzige Körnchen Getreide auf den Feldern aufgelesen.
Sie würden für das nächste Jahr genügend zu essen haben und konnten sogar noch Vorräte für die unvermeidlichen schlechten Zeiten anlegen.
Auf den Feldern waren nun keine Arbeiter mehr zu sehen, doch es gab noch immer genug zu tun. Die Drescher würden sich schweißüberströmt in den Scheunen von Halstow Hall abplagen, um die kostbaren Getreidekörner von den Ähren zu trennen, während ihre Frauen und Töchter die Körner zu Haufen zusammenkehrten und sie dann in die Vorratslager karrten.
Tussers Schritte wurden langsamer, er runzelte die Stirn und murmelte leise vor sich hin. Dann hellte sich sein Gesicht plötzlich auf. Er grinste und deklamierte laut:
»Bei der Ernte nichts vergeude, alles hüte, nichts
verschwende,
Bei der Saat sei flink und rege, bei der Mahd behände,
Füll die Speicher und die Scheunen mit dem Korn fürs
täglich Brot,
Denn mit gut gefüllter Scheuer musst du leiden
keine Not.«
Tusser besaß zwar einen guten Ruf als Verwalter, doch hatte er ihn sich hart erarbeiten müssen. In seiner Jugend hatte er viele Fehler gemacht – hatte die Frühjahrssaat zu spät auf den Feldern ausbringen und das Unkraut zu hoch wachsen lassen oder auch vergessen, den Teer, mit dem nach dem Scheren die Wunden der Schafe behandelt wurden, mit Gänseschmalz zu vermischen. Er hatte festgestellt, dass es ihm bedeutend leichter fiel, den Überblick über die zahlreichen Aufgaben zu behalten, die auf einem Gutshof anfielen, wenn er sie in Reime fasste. Im Laufe der Zeit – Tusser näherte sich bereits der Lebensmitte – hatte er viele dieser Reime aufgeschrieben. Vielleicht würde er sie irgendwann als Zeichen seiner Dankbarkeit seinem Herrn überreichen.
Doch, so Gott wollte, lag dieser Tag noch in weiter Ferne und ihm blieben noch viele Jahre, um die Reime in richtige Verse zu fassen.
Tusser hatte den Feldrand erreicht und sprang leichtfüßig über den Abflussgraben, der das Feld vom Weg trennte. Er blickte sich rasch auf der staubigen Straße um, um sich zu vergewissern, dass ihn niemand beobachtete, und führte dann einen kleinen Freudentanz auf.
Die Ernte war eingebracht! Die Ernte war eingebracht!
Gemächlichen Schrittes ging er schließlich weiter und seufzte tief vor Erleichterung. Die Ernte war eingebracht, Gott sei’s gedankt, auch wenn es kein einfaches Jahr gewesen war. Jedes Jahr brachte seine Herausforderungen mit sich, doch wenn dazu noch mitten im Sommer ein neuer Herr die Ländereien übernahm…
Als Tusser vor elf Jahren die Stelle als Verwalter von Halstow Hall angetreten hatte, war er stolz darauf gewesen, dem mächtigen Herzog von Lancaster zu dienen… auch wenn der Herzog den Gutshof nie besucht hatte und es Tusser nie vergönnt gewesen war, seinen Herrn kennenzulernen. Doch Lancaster hatte seine vierteljährlichen Berichte
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