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Monogamie«. Heiraten ist längst keine biografische Selbstverständlichkeit mehr: In den siebziger Jahren entschieden sich mehr als neunzig Prozent der jungen Erwachsenen in Deutschland für die Ehe. Seitdem hat sich die Zahl derer, die ein Leben lang unverheiratet bleiben, verdreifacht. Seit 2007 nehmen die Eheschließungen zwar wieder zu, aber zur gleichen Zeit ist die Zahl der Scheidungen auf einem Höchststand angelangt. Rund vierzig Prozent der Getrauten lassen sich wieder scheiden. Jeder zweite Geschiedene wagt mindestens einen zweiten Versuch – der noch häufiger scheitert.
Ich frage mich durch das Serra-Mall-Gebäude am Ende der berühmten Palmenauffahrt von Stanford und treffe schließlich in einem leicht chaotischen Büro auf einen Mittvierziger mit schwarzen Locken und Bart, der wie die meisten Amerikaner keinen Wert auf Förmlichkeiten legt. »Hi, I’m Michael«, sagt er zur Begrüßung, »erzählen Sie mir von dem Buch, an dem Sie arbeiten.«
Nachdem ich ihm kurz erklärt habe, worum es geht, frage ich Mister Rosenfeld: Ist die Liebe auf dem Rückzug? »Auf keinen Fall. Wie kommen Sie darauf?«, sagt er und lacht.
»Naja, in den USA und in Deutschland gibt es immer mehr Scheidungen, viel weniger Eheschließungen als noch vor vierzig Jahren, dazu kommt der kühle Pragmatismus des Online-Datings.«
»Aber heute heiraten Menschen viel freiwilliger und in den meisten Fällen aus reiner Liebe«, sagt Professor Rosenfeld, »früher ging es bei der Partnerwahl um praktische Fragen: Kann die Frau Kinder gebären? Kann sie auf der Farm mitarbeiten? Bietet mein Mann mir Sicherheit?«
»Woher kommt dann mein Eindruck?«, frage ich ihn.
»Das Problem ist, dass wir unsere Beziehungen heute mit Erwartungen überfrachten. Wir wollen ewige Liebe, Leidenschaft, vollkommenes Glück. Zufriedenheit ist viel schwieriger zu erfüllen als Gebärfähigkeit. Partnerschaften scheitern an diesem Ideal. Früher war es einfach Pech, wenn man einen Partner erwischt hat, der sich als Alkoholiker entpuppte. Heute hat man die Option, sich einen neuen zu suchen.«
Es stimmt: Die längste Zeit der Menschheitsgeschichte hatte man keine Wahl, mit wem man zusammen sein wollte. Familie oder Dorfgemeinschaft entschieden darüber, und ihre Auswahl war überschaubar. »Das einzig Gute war«, sagt Rosenfeld, »dass auch die Auswahl für Seitensprünge begrenzt war und dass in den engen Gemeinschaften der Vergangenheit zusätzlich die soziale Kontrolle griff.«
Erst im 19. Jahrhundert begann sich die Partnerwahl ausgehend vom Bürgertum zu ändern – befeuert vom Liebesideal der Romantiker und einem Klima, in dem vor allem die Frauen zunehmend versuchten, ihre Handlungsspielräume auszuweiten. »Eines ist sicher«, schließt Michael Rosenfeld seinen Exkurs in die Vergangenheit, »die Liebe war über Jahrhunderte ein netter Nebeneffekt einer Beziehung – keinesfalls deren Bedingung. Das ist in unserer Zeit anders und macht die Dinge komplizierter.«
Heute prägen Brüche die Liebesbiografien der Menschen. Der Großteil ist immer wieder mal Single, hat also die Möglichkeit, sich immer wieder auf’s Neue zu verlieben. Das ist endlich eine gute Nachricht für die Barbaras dieser Welt: Die Chance auf das schönste Gefühl der Welt hat man heute bis ins hohe Alter.
Drei Befragungswellen hat es im Rahmen der Stanford-Studie bereits gegeben, weitere sollen folgen. 4002 Amerikaner wurden bislang mit Fragebögen zu ihrem Liebesleben befragt. Zusätzlich haben Professor Rosenfeld und seine Mitarbeiter etliche Stunden bei Hunderten von Menschen auf dem Sofa verbracht und sie zu ihren Beziehungen, Trennungen und dem Kennenlernen von neuen Partnern interviewt.
Ich frage ihn, welches Ergebnis ihn bisher am meisten überrascht hat. »Zunächst fand ich spannend, dass ein Internetzugang heute die Wahrscheinlichkeit erhöht, einen Partner zu haben: 82 Prozent der Befragten, die über einen Internetzugang verfügten, waren auch in einer Beziehung, wohingegen nur 63 Prozent der Menschen ohne Online-Anschluss einen Partner hatten. Sehr interessant fand ich auch, von welchen Teilen der Bevölkerung das Internet zur Partnersuche genutzt wird. Die Annahme zu Beginn meiner Studie war, dass die heute Zwanzig- bis Fünfundzwanzigjährigen, die mit dem Internet aufgewachsen sind, am wenigsten Hemmungen haben, online nach einem Partner zu suchen. Das Gegenteil ist der Fall: Sie nutzen diese Angebote auffällig wenig.«
Auch ich hatte mich im Lauf der
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