Diesen Partner in den Warenkorb legen
zwei auf dem Poster laufen über vor Glück, im trüben Grau des Kölner Alltags fast eine Provokation.
Aber das empfinden nur die Singles so, nur ihnen flüstert das Plakat zu: »Wir wissen, du arbeitest viel und hast keine Zeit, einen Partner zu suchen. Aber da draußen gibt es eine Person, die ist auch zu müde, um nach der Arbeit auszugehen, die mag Meeresfrüchte, Tom Waits und Bergsteigen – genau wie du. Diese Person finden wir für dich.« Der Slogan der Partnerbörse FriendScout wird in die Geschichte der Werbung eingehen als das größte und süßeste Versprechen, das je ausgesprochen wurde: Wir verlieben dich. Das schönste Gefühl der Welt nur einen Mausklick entfernt – wer wäre nicht bereit, mehr als hundert Euro im Quartal dafür auszugeben!
Was macht ein Single im Jahr 2012, wenn er keiner mehr sein will? Vertraut er nach alter Väter Sitte darauf, dass ihn die Liebe schon finden wird – im Supermarkt, beim Ausgehen mit Freunden, an der Kinokasse? Oder versucht er, angestachelt von den Machbarkeitsversprechen der Single-Industrie, den Zufall auszutricksen: Geht an Orte, wo er besonders viele Singles vermutet. Meldet sich bei Veranstaltungen für Alleinstehende an. Registriert sich im Internet, kurz: nimmt sein Schicksal selbst in die Hand?
In diesem Buch zeige ich, welche Folgen es hat, dass sich immer mehr Menschen für die zweite Variante entscheiden. Schon jetzt vertraut sich etwa jeder zweite der rund elf Millionen Singles in Deutschland einer Dienstleistungsindustrie an, die den vermeintlichen Makel des Single-Seins im Handumdrehen zu beheben verspricht. »Einfach verlieben«, »Liebe ist kein Zufall«, »So verliebt man sich heute« – die Slogans der Partnerbörsen haben einen neuen Run auf das Produkt »Paarbeziehung« ausgelöst. Sie machen klar: Im digitalen Zeitalter ist Liebesglück zu einem Projekt geworden, das man gezielt angehen kann – und muss. Wer gegen sein Single-Dasein nichts unternimmt, ist selbst schuld. Der Geist der Machbarkeit hat die Partnersuche erfasst: So wie man sich bei der Jobsuche von einem Coach oder Headhunter unter die Arme greifen lässt; so wie manche fünf Kilo abnehmen wollen und sich gleichzeitig im Fitnessstudio, bei WeightWatchers ® und beim Ernährungsberater anmelden, so wollen inzwischen Millionen von Menschen einen Partner finden: systematisch, effizient, so professionell wie möglich. Dieser Pragmatismus hat die Liebe verändert.
Das fängt schon mit dem Verkaufsdruck auf den Einzelnen an: Onlinebörsen folgen streng ökonomischen Gesetzen. Wie bei eBay zählt bei der Online-Partnersuche vor allem die Präsentation des Angebots, sprich: der eigenen Person. Partnerbörsenneulinge verbringen Tage und Nächte damit, ihr Profil zu erstellen, Selbstbeschreibungen zu formulieren, charmante Wortwitze einzubauen. Sie denken darüber nach, welchen Eindruck die Angabe ihres Lieblingsfilms auf andere macht und ob sich die Investition in ein professionelles Profilbild nicht doch gelohnt hätte. Der Marktplatz Internet konfrontiert den Suchenden unweigerlich mit seinem Markt wert , er wirft Fragen auf wie: Bin ich schön? Wie wirke ich auf andere? Liegt es an mir, dass ich keinen Partner habe?
»Das mit der Maus ausgestattete Individuum denkt, es hätte seine sozialen Beziehungen (…) bestens unter Kontrolle. Es weiß nicht, dass es den Finger in ein Räderwerk gesteckt hat, aus dem es nicht ohne Blessuren herauskommen wird«, schreibt der französische Soziologe Jean-Claude Kaufmann. Wie recht er hat. Stärker als jemals zuvor ist der eigene Beziehungsstatus (abgefragt beispielsweise von Facebook) etwas, für das man haftbar gemacht wird, etwas, worum man sich zu kümmern hat. Wer übrig bleibt im Paarproduktionsprozess hat ein Problem. Mit dem »stimmt etwas nicht«.
Der Wind in der Welt der Liebe ist rauer geworden. Die Plakate an den Bushaltestellen flüstern nicht nur »Wir verlieben dich«, sondern auch: »Wir schlagen dir perfekte Kandidaten vor, aber wenn du unter diesen Top-Leuten niemanden findest, dann können wir dir auch nicht helfen, du Freak!«
Vielleicht gibt es auch deshalb noch genügend Alleinstehende, denen das alles nicht geheuer ist und die eine Aversion gegen die »virtuelle Fleischauslage« hegen, wie es ein Single in einem meiner Interviews ausgedrückt hat. Viele fremdeln mit dem Gedanken, den Zufall mit einem Algorithmus zu bezwingen, und glauben, die Liebe folge einem höheren Plan, in den man nicht eingreifen dürfe.
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