Dieser Sonntag hat's in sich
Pracht an mir vorbeidrängten, stellte ich die Kamera wieder auf
Wilkonson ein und drückte auf den Auslöser — nicht weil ich ein Bild von ihm
brauchte, sondern um wie eine Amateurfotografin auszusehen. Nachdem die Frauen
die Insel umrundet hatten, gingen sie zu dem Lilienteich hinüber und blieben so
weit wie möglich von Wilkonson entfernt stehen; die eine wühlte in ihrer
Tasche, vermutlich nach Münzen, um dem möglicherweise noch verbliebenen Leben
im Wasser den Garaus zu machen. Wilkonson blickte in ihre Richtung, und um seinen
schmallippigen Mund zuckte es wieder. Er richtete sich auf, schaute auf seine
Armbanduhr und griff in die Tasche seiner schäbigen Wildlederjacke.
Ich senkte die Kamera und beobachtete,
wie er ein rosafarbenes Blatt Papier herauszog — die Seite, die er aus dem
Veranstaltungskalender der Zeitung herausgerissen hatte. Er schaute sie
flüchtig an, steckte die Hand wieder in die Tasche und zog ein gelbes Blatt
hervor. Ich hob die Kamera ein wenig höher und stellte sie auf das Papier ein;
das Teleobjektiv war nicht stark genug, als daß ich das Gedruckte hätte lesen
können, aber das Blatt sah aus wie ein Teil der Gelben Seiten aus der Zeitung.
Wilkonson überflog es, faltete die beiden Blätter zusammen und stopfte sie
wieder in die Tasche. Dann ging er mit schnellen Schritten Richtung Ausgang.
Ich drückte den Deckel auf das Objektiv
der Kamera und folgte ihm. Als ich die Haupthalle der tropischen Gärten
erreicht hatte, nachdem ich einem engen Pfad durch Philodendron und Palmen und
leuchtende vogelähnliche Blumen, die unter der hohen, weißgestrichenen
Glaskuppel blühten, gefolgt war, war Wilkonson bereits draußen. Vom Absatz der
breiten Treppe aus sah ich, wie er quer durch die geometrischen Gärten in
Richtung Kennedy Drive marschierte. Ich nahm an, daß er auf dem Weg zu seinem
Wagen war, den er in der Nähe des Bocciageländes abgestellt hatte. Im Vertrauen
auf die Richtigkeit meiner Annahme schlug ich einen anderen Weg ein — durch
einen Fußgängertunnel unter der Hauptverkehrsstraße hindurch —, und als er
seinen Ranchero erreichte, wartete ich bereits ein paar Parkplätze weiter in
meinem MG.
Der Rest des Tages verlief ebenso
ereignisreich wie merkwürdig. Wir — Wilkonson und ich — besuchten eine
Pflanzenauktion in der Blumenhalle neben dem ausgedehnten Strybing-Arboretum im
Golden-Gate-Park. Der Erlös sollte der Arboretum-Gesellschaft zugute kommen,
die Pflanzen zeugten von den vielfältigen Talenten in den Gärtnereien des
Parks. Zarte Rosen wetteiferten mit prachtvollen Paradiesblumen; Bambusstauden
und japanische Ahornbäume standen dicht an dicht mit Limonen- und Feigenbäumen.
Da waren Dahlien und Rhododendronsträucher, Avokadobäume und Fuchsien, und
sogar eine Pavianblume, ein faszinierendes Gewächs mit haarigen Blättern.
Wilkonson spazierte mehr als eine Stunde herum, aber er kaufte nichts. Ich
erstand am Ende — wie nicht anders zu erwarten — die Pavianblume. Als
Tarnkappe, tröstete ich mich, während ich Wilkonson aus der Halle folgte.
Als er dann seine Tour quer durch die
Stadt begann, war ich froh, daß ich am Abend zuvor daran gedacht hatte, ein
paar belegte Brote und Obst einzupacken. Sein erstes Ziel war das
Sloat-Gartenzentrum in der Nähe vom Strand und vom Zoo. Es gab dort eine schöne
Baumschule; ich hatte dort einmal einen Weihnachtsbaum mit Wurzeln gekauft (er
war hinüber, bevor das nächste Weihnachtsfest ins Land zog — doch daran war
meine Nachlässigkeit und nicht die Ware schuld). Wilkonson aber ignorierte die
Fichten und Obstbäume, die Herbstblumen und das Gemüse, er ging direkt auf die
Verkaufstheke zu. Während ich die Blätter einer Chrysantheme befingerte, sprach
er mit zwei Verkäufern. Er bewegte seine mageren, knotigen Hände wie zur
Untermalung seiner Beschreibung. Soweit ich das feststellen konnte, erhielt er
von beiden auf seine Fragen nur abschlägige Antworten.
Weiter ging es zum Sunset District,
einem Viertel mit bescheidenen Einfamilienhäusern, dessen Bewohner stolz sind
auf ihre Gärten und Rasenflächen. Wilkonson sprach vor bei der amerikanischen
Gesellschaft für Samen und Setzlinge, bei Sunset Gartenzubehör, bei Blooming
Dale’s und Mr. Tree. Aber immer schienen die Antworten negativ auszufallen.
Dann schlug er einen Haken um Twin
Peaks und suchte die großen Gartencenter im Gewerbegebiet des Bayshore-Viertels
auf. Die Verkäufer hier waren ziemlich beschäftigt; er machte sich an sie ran,
wenn
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