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Dieser Sonntag hat's in sich

Dieser Sonntag hat's in sich

Titel: Dieser Sonntag hat's in sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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ausgewaschene Levi’s Jeans und eine zerknitterte,
braune Wildlederjacke. Sein stumpfes braunes Haar hing ihm strähnig in die
Stirn. Während er leichtfüßig die Treppen heruntersprang, fuhr er sich mit der
linken Hand durchs Haar. Es stand kurz in die Höhe und fiel dann wieder in sich
zusammen. Er ging nicht zu seinem Ranchero, sondern steuerte den Bürgersteig an
und wandte sich nach rechts.
    Ich brauchte das Foto in meiner
Handtasche nicht zu Rate zu ziehen, um zu wissen, daß dies der Mann war, den
ich beschatten sollte. Sein Name war Frank Wilkonson, und abgesehen von seinem
Namen wußte ich nur sehr wenig über ihn: Beschreibung und Foto wurden jetzt von
der Wirklichkeit bestätigt. Ich kannte seinen Fahrzeugtyp und das polizeiliche
Kennzeichen. Ich wußte, daß er auf einer Ranch arbeitete, jeden Samstag im
selben Motel an der Lombard Street ein Zimmer nahm und jeden Sonntag vor zwölf
Uhr mittags wieder abreiste.
    Das war schon alles, was ich wußte — abgesehen
von dem Grund für den Beschattungsauftrag, den der Klient angegeben hatte und
an dem ich von Anfang an meine Zweifel hatte.
    Ohne den Mann aus den Augen zu lassen,
fischte ich ein paar Scheine und Münzen aus meiner Jackentasche und legte sie
auf die Rechnung. Dann lief ich an den Tischen vorbei hinaus in den kühlen
Morgen. Der Nebel hatte sich etwas gelichtet, und die Sicht war jetzt gut,
wenngleich der Himmel heute wohl bedeckt bleiben würde. Frank Wilkonson ging
auf der anderen Straßenseite, einen halben Häuserblock vor mir, in Richtung
Norden.
    Es war nun ziemlich viel Betrieb auf
der Straße: Jogger stampften vorbei; Touristen in ihren besten
Sightseeing-Klamotten steckten die Nasen in Stadtpläne; Anwohner holten sich
Zeitungen und frisches Sauerteigbrot und eilten zurück nach Hause, bergauf ins
Nobelviertel Pacific Heights oder nach Marina am Ufer der Bucht. Der schäbige
Aufzug des Beschatteten und sein lustloser, schlurfender Gang unterschieden ihn
von den Menschen um ihn herum. Mir fiel ein alter Song von Kristofferson ein,
der von der hoffnungslosen Einsamkeit an einem Sonntagmorgen erzählt. Das
konnte ich nachempfinden; ich hatte mich in der letzten Zeit manchmal auch so
gefühlt — und nicht nur sonntags.
    Wilkonson ging noch einen Block weiter,
dann blieb er vor einem Zeitungsautomaten stehen und kaufte sich einen Chronicle-Examiner. Von der anderen Straßenseite beobachtete ich, wie er die Zeitung auf den
Ständer legte und den rosafarbenen Veranstaltungskalender herauszog. Er
blätterte ihn durch, hielt inne und riß eine Seite heraus. Dann knüllte er die
restliche Zeitung zusammen, ging zu einem Abfallkorb in der Nähe und warf sie
hinein.
    Als er sich umdrehte und in Richtung
Motel zurückging, überlegte ich, ob ich seine Zeitung herausfischen sollte, um
zu überprüfen, welche Seite er herausgerissen hatte. Aber er schritt nun
entschlossener aus, und ich nahm an, daß er auf dem Weg zu seinem Wagen war.
Ich ging zurück zu meinem MG, den ich vor dem Cafe abgestellt hatte, und
wartete, was er als nächstes tun würde.
     
    Ich hörte ein Zischen, und dann überzog
ein feiner Sprühregen die Linse meiner Nikkormat. Die winzigen Tröpfchen
breiteten sich schnell aus und liefen ineinander, so daß das Bild vor meinen
Augen verschwamm. Der knotige Stamm des Riesenfarns, hinter dem ich kniete,
zerfloß zu einem formlosen, braunen Klecks; seine ausgreifenden Wedel wurden zu
grünen Schlieren; ich konnte Frank Wilkonsons Gestalt nicht mehr ausmachen.
    Ich ließ die Nikkormat sinken. Mein
Observationsobjekt stand drüben auf der anderen Seite der Halle am Lilienteich.
Ich ließ die Kamera an ihrem Gurt um meinen Hals baumeln und wischte mir die
Feuchtigkeit aus dem Gesicht, dann nahm ich meine Wollmütze ab und stopfte sie in
die Tasche meiner neuen kamelhaarfarbenen Winterjacke. Es war heiß hier im
Tropenhaus des Botanischen Gartens im Golden-Gate-Park, und nachdem sich das
Nebelgerät eingeschaltet hatte, war es auch noch dampfig. Ich knöpfte die Jacke
auf, behielt sie aber wohl oder übel an: Es war zu mühsam, sie zu tragen, und
dann hatte ich ja auch noch die Handtasche und die Kamera.
    Wilkonson stand am Lilienteich, mit
einem Fuß auf der Betonumrandung, und starrte ins Wasser. Der feine Sprühregen
schien ihn weder zu überraschen noch aus der Ruhe zu bringen, was mich vermuten
ließ, daß er nicht zum erstenmal die tropischen Gärten besuchte. Als ich ein
Tuch gefunden hatte, um die Linse zu reinigen, schwenkte das

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