DIESES MAL IST ALLES ANDERS
jüngsten Krise hatte das »Dieses Mal ist alles anders«-Syndrom in reichen Ländern vor allem mit der Überzeugung von der Unbesiegbarkeit der modernen geldpolitischen Institutionen zu tun. Die Zentralbanken waren in ihre eigenen Versionen der Inflationssteuerung (»Inflation Targeting«) verliebt und glaubten, dass sie einen Weg gefunden hätten, sowohl die Inflationsrate niedrig zu halten als auch die Wirtschaftsleistung optimal zu stabilisieren. Obwohl ihre Erfolge auf einem soliden institutionellen Fortschritt basierten, vor allem im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Zentralbanken, scheinen diese Erfolge überschätzt worden zu sein. Strategien, die während eines alles erfassenden Booms scheinbar perfekt funktionierten, erschienen im Fall einer gewaltigen Rezession plötzlich alles andere als robust. Die Marktinvestoren verließen sich ihrerseits darauf, dass die Zentralbanken ihnen im Zweifelsfall zu Hilfe eilen würden. Der berühmte »Greenspan Put« (nach dem ehemaligen Präsidenten der Federal Reserve Bank, Alan Greenspan, benannt) beruhte auf dem (empirisch gut fundierten) Glauben, dass die US-Notenbank Haussen durch billiges Geld weiter begünstigen, aber bei ausgeprägten Baissen energisch die Zinsen senken würde, um die Preise der Vermögenswerte zu stützen. Und so glaubten die Märkte, die Federal Reserve Bank biete den Investoren eine sichere Wette. Dass die US-Notenbank zu außergewöhnlichen Maßnahmen greifen würde, sobald sich ein Kollaps ereignet, hat sich nun als Tatsache erwiesen. Im Rückblick wird heute deutlich, dass sich ein derart unbeirrbarer Fokus auf die Inflation nur in einem Umfeld rechtfertigen lässt, in dem andere Regulierer in der Lage sind, sicherzustellen, dass kein exzessiver Einsatz von Hebeln (Verschuldung) stattfindet.
Die Lektion aus der Geschichte lautet daher: Selbst wenn Institutionen und politische Entscheidungsträger eine bessere Politik verfolgen und bessere Entscheidungen treffen, wird immer die Versuchung bestehen, die Grenzen hinauszuschieben. So wie eine Privatperson bankrottgehen kann, egal wie reich sie zuvor gewesen ist, so kann auch ein Finanzsystem unter dem Druck der Gier, der Politik und der Gewinnerzielung zusammenbrechen, unabhängig von der scheinbaren Güte der Regulierungen.
Die Technologie hat sich verändert, die Körpergröße der Menschen hat sich verändert und die Mode hat sich verändert. Die Fähigkeit der Regierungen und der Investoren, sich einer Täuschung hinzugeben und periodische »irrationale Überschwänge« zu fördern, die üblicherweise in Tränen enden, scheint sich allerdings nicht verändert zu haben. Kein aufmerksamer Leser der Autoren Friedman und Schwartz wird von dieser Lektion über die Fähigkeit der Regierungen zum Missmanagement von Finanzmärkten überrascht sein – ein zentrales Thema in der Analyse von Friedman und Schwartz. 8 Was die Finanzmärkte betrifft, betitelte Kindleberger das erste Kapitel seines Klassikers Manias, Panics and Crashs: A History of Financial Crises (Charles P. Kindleberger: Manien, Paniken, Crashs. Die Geschichte der Finanzkrisen dieser Welt , 2001 – Anm. d. Ü.) weise »Financial Crisis: A Hardy Perennial.« 9
Und hier haben wir den Kreis des Konzepts der Verwundbarkeit von hoch verschuldeten Ökonomien geschlossen. Sehr oft kommt es während der Bildung einer Blase zu einer massiven Schuldenaufnahme, die für eine überraschend lange Zeit gewahrt werden kann. Hoch verschuldete Ökonomien, vor allem solche, bei denen eine kontinuierliche Prolongierung kurzfristiger Schulden nur von Marktvertrauen gestützt wird, überleben solche Schuldentürme nur selten langfristig, insbesondere wenn die Schulden unkontrolliert weiter anwachsen. Dieses Mal mag zwar alles anders erscheinen, meistens wird bei einer eingehenden Betrachtung jedoch deutlich, dass nichts anders ist als sonst. Ermutigenderweise gibt die Geschichte Hinweise auf Warnsignale, auf die politische Entscheidungsträger bei der Risikoeinschätzung achten können – vorausgesetzt, sie lassen sich von ihrem kreditblasenfinanzierten Erfolg nicht zu sehr berauschen und wiederholen nicht dasselbe, was ihre Vorgänger seit Jahrhunderten behauptet haben: »Dieses Mal ist alles anders.«
DATENANHÄNGE
A.1. Makroökonomische Zeitreihen
In diesem Anhang sind die verwendeten makroökonomischen Zeitreihen genannt. Die Datenbank über Regierungsschulden ist in einem separaten Anhang (Anhang A.2) aufgeführt.
Abkürzungen häufig
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