Dirty Deeds - Meine wilde Zeit mit AC/DC
hinteren Ausgang zurück und informierte vermutlich den Rest der Crew. Wenig später kam sie wieder und legte mir die Hand auf die Schulter.
„Kann ich Ihnen etwas bringen, Mr. Evans?“
„Whisky-Cola, bitte“, sagte ich. Aber das erste Wort, das mir auf der Zunge gelegen hatte, war: „Kristin.“
In London hatte ich sechs Stunden Aufenthalt, bevor es nach Amsterdam weiterging. Die Qantas-Crew machte es netterweise möglich, dass ich mich in der Business-Lounge von British Airways frisch machen und mich entspannen konnte. Dort setzte ich mich in einen der plüschigen Clubsessel und nahm mir eine Zeitung.
„Tee, Sir?“, fragte jemand, und eine andere Stimme antwortete:
„Im Augenblick nicht, vielen Dank.“
Ich kannte diese Stimme. Als ich meine Times senkte, guckte ich in das Gesicht von Clive James, der sich ebenfalls hinter einer Times versteckt hatte. Nun hatte ich den australischen Autor und Kritiker immer schon kennen lernen wollen, aber bitte, doch nicht jetzt. Ich kannte seine Lebensgeschichte aus seinen großartigen Autobiografien; er stammte aus Kogarah bei Sydney.
„Es ist ein ziemlich langer Weg von Kogarah, nicht wahr, Clive?“, sagte ich also.
„Das ist wahr, gut beobachtet“, gab er zurück.
Wir wandten uns beide wieder unserer Times zu, aber ich dachte, da wir uns schon begrüßt hatten, könnte ich vielleicht doch ein kleines Gespräch in Gang bringen. Also, mal nachdenken, was haben wir gemeinsam? Oh ja, wir beide haben zwei Töchter. Hatten. Scheiße.
Ich musste mir ein wenig die Beine vertreten, landete schließlich in einem Souvenir-Shop und beschloss, ein paar Kleinigkeiten für Ginnie und ihre Freundinnen zu besorgen. Eine Weile suchte ich zwischen den Kühlschrankmagneten, Bleistiften und Miniatur-Doppeldeckerbussen herum. Damals konnte man am Flughafen keinen Schritt tun, ohne dass einen das unschuldige, lächelnde Gesicht der dreijährigen Madeline McCann verfolgte, die einen Monat zuvor in Portugal verschwunden war.
Die Verkäuferin, eine Frau mittleren Alters, packte meine Mitbringsel in eine Tüte, auf der ebenfalls Madelines Foto prangte. Ich sah das Kindergesicht nachdenklich an, als mich die Verkäuferin ansprach.
„Schlimme Sache, das. Können Sie sich vorstellen, wie es sein muss, wenn man seine Tochter verliert?“
Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken. Ich wünschte mir nichts mehr, als dass dieser Albtraum aufhörte. Sofort.
„Eigentlich sollte ich Amsterdam hassen“, dachte ich, als ich auf dem Weg vom Hauptbahnhof zu meinem Hotel eine Kanalbrücke überquerte. Verdammt, und wie ich diese Stadt eigentlich hätte hassen müssen; hier hatte man mir Kristin für immer genommen. Aber es dauerte nur Minuten, da verstand ich, wieso sie Amsterdam geliebt hatte. Die Stadt war schön, gemütlich und doch lebendig und weltoffen, mit Häusern wie aus einem Märchen und unglaublich vielen Fahrradfahrern. Zwar war ich schon früher einmal in Amsterdam gewesen, aber damals war es nur eine weitere Etappe des AC/DC-Tourneeplans gewesen. Aber das war nun anders.
Mir wurde schwer ums Herz, als ich daran dachte, dass ich Kristin und Chris eigentlich ja hier hatte besuchen wollen. Das wäre so schön geworden. Ich blieb auf einer Brücke stehen und ließ die Szenerie auf mich wirken. Bunt bemalte Kähne tuckerten über den Kanal, und ein bärtiger Kapitän winkte fröhlich zu mir hoch. Ich winkte zurück. Mit Macht wurde mir klar, wie schnell sich das Leben ändern kann; das Rad der Welt dreht sich weiter, während deine eigene kleine Welt ausgelöscht worden ist.
Nach Kristins Beerdigung begingen wir die Trauerfeier an einem ihrer Lieblingsplätze, dem Amsterdamer Filmmuseum. Es ist das holländische Zentrum für Filmkunst und befindet sich in einer riesigen alten Villa im pittoresken Vondelpark. Es ist eine beeindruckende Kulisse. Kristins Freunde hatten die Trauerfeier organisiert, und ich begriff, dass die Stadt allmählich zu ihrem Zuhause geworden war, so viele holländische Freunde, wie sie gehabt hatte. Allmählich bekam ich den Eindruck, dass sie kurz vor ihrem Tod so glücklich gewesen war wie vielleicht nie zuvor in ihrem Leben, hier, mit Chris, in dieser Stadt. Es war tröstlich, diese wundervollen Menschen kennen zu lernen und mit ihnen zu sprechen, aber sie waren zu jung, um so etwas durchmachen zu müssen. Wir alle waren zu jung. Ich sah mich in dem Café mit den roh gemauerten Wänden um, mit seinen Schwaden von Zigarettenrauch, den Weinflaschen
Weitere Kostenlose Bücher