Dirty Talk
solange ich die Sache nicht zu Ende gebracht hatte.
Obwohl wir Tee und Kaffee hatten, hielten wir danach ein paar Stunden Nickerchen. Abwechselnd in den Armen des anderen, um uns zu küssen und zu streicheln. Am Nachmittag schlüpfte ich schließlich aus dem Bett.
„Was ist los?“, murmelte Patrick.
„Ich sollte lieber mal im Sender vorbeischauen.“
Er blinzelte und tastete nach seiner Brille. „Heute ist Sonntag. Musst du heute auf Sendung gehen?“ „Nein. Ich hab einiges aufzuarbeiten.“
„Okay. Ich mach uns Abendessen.“
Ich küsste ihn und ging wieder in mein Bad. Ich duschte und zog mir meine Winterklamotten fürs Radfahren an. Draußen war es immer noch eiskalt, der Himmel war grau, und ein eisiger Wind pfiff. Ich wusste, dass es für Schnee eindeutig zu kalt war, aber die Luft fühlte sich ziemlich feucht an. Das war ungewöhnlich für das Winterwetter in Colorado.
Beim Sender legte ich beim Moderator einen kleinen Stopp ein und plauderte mit ihm, ehe ich in mein Büro ging. Als ich am Büro unseres Managers Bill vorbeikam, hörte ich drinnen ein Geräusch. Bill war am Wochenende im Büro? Das war ungewöhnlich. Ich klopfte an die Tür.
„Ich wollte nicht stören“, fing ich an. „Ich hörte nur …“ Ich verstummte, als mir bewusst wurde, dass sein Büro leer war. Die Kartons stapelten sich in einer Ecke. „Bill, was ist passiert?“
Er schüttelte den Kopf. „Ich wollte es eigentlich für mich behalten. Ich kündige. Sieh mich nicht so an, Jo. Es ist höchste Zeit, findest du nicht? Ich war hier seit … na ja. Seit Jahrzehnten. Zu lange jedenfalls.“ Er hielt ein gerahmtes Foto in den Händen, das die Senderbelegschaft in den frühen Siebzigern zeigte. Bill war gut erkennbar, weil er so groß und massig war. Er hielt zwei Finger zum Peacezeichen hoch und hatte lange Haare.
„Damals hatten wir noch große schwarze Plastikscheiben mit Loch in der Mitte, von denen wir die Musik abspielten. Wir sind zugedröhnt auf Sendung gegangen. Das waren noch Zeiten. Längst vergangene Zeiten“, fügte er hinzu und legte das Foto behutsam in einen Karton. „Und wenn man erst anfängt, so zu denken, ist es höchste Zeit, zu gehen.“
„Ich werde dich vermissen.“
„Kimberly und ich haben beschlossen, das Ganze möglichst diskret zu handhaben.“ Er schmunzelte. „Und jetzt müssen wir nicht mehr so vorsichtig sein.“
„Du und Kimberly?“
„Aber ja. Wir dachten, du wüsstest es?“
„Ich wusste es nicht. Meinen Glückwunsch. Ich … na ja, ich freu mich für euch, aber ich wünschte, du würdest nicht gehen. Wer weiß noch, dass du bald weg bist?“
„Ach.“ Er lehnte sich an seinen Schreibtisch. „Wann hat Neil dir das letzte Mal etwas erzählt, das wirklich wichtig war?“
„Ich weiß nicht. Zwei oder drei Monate müsste das her sein. Ich kann mich nicht mal erinnern, wann ich das letzte Mal von ihm eine Mail bekommen habe.“
„Du weißt, was es bedeutet, wenn sie dich im Dunkeln lassen.“ Er nahm das letzte Foto aus dem Regal. Es zeigte seine Enkel. „Neil wird fürs Erste meinen Job übernehmen. Obwohl es bestimmt ein ausgiebiges Verfahren gibt mit zig Bewerbern, weißt du, dass man am Ende ihn für den Job nehmen wird. Du weißt auch, was er über klassische Musik denkt. Du solltest deinen Lebenslauf mal auf den neuesten Stand bringen, Jo. Du kannst mich jederzeit als Referenz angeben.“
„Du meinst, er wird grundlegende Veränderungen am Format vornehmen?“
„Ich denke, das ist mehr als wahrscheinlich. Irgendwie hat er natürlich auch recht. Diese Stadt braucht einen ernsthaften lokalen Radiosender.“ Er verschloss den Karton mit Klebeband. „Zum Teufel damit. Ich bin hier fertig. Ich gehe heim, Kimberly macht heute ihr berühmtes Chili. Peace, Jo.“
„Peace.“ Wir umarmten uns. „Grüß Kimberly ganz lieb von mir. Sag ihr, dass ich erwarte, alle schmutzigen Details eurer verbotenen Beziehung zu erfahren.“
Ich ging in meinen Bürowürfel. Meine Gedanken drehten sich im Kreis. Bill ging. Das war das Ende einer Ära. Und er war mit Kimberly zusammen. Sie hatte mir gesagt, ich würde ihren neuen Freund kennen, aber auf Bill wäre ich nie im Leben gekommen.
Ich rief meine Mails ab und schaute die Post auf meinem Schreibtisch durch. Meine Lust auf Papierkram war versiegt. Neil hatte mir eine E-Mail geschickt und erinnerte mich daran, dass es Zeit für mein Jahresgespräch sei. Er schlug einige Termine vor, wann er Zeit hatte, und alle waren vor zehn Uhr
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